Cristina Prandi: Langhe Nebbiolo „Guiseppe Prandi“ 2021

Barolo, Piemont, Italien
Rebsorte: Nebbiolo

Kategorie: classic – funky – crazy

Das ist wahrscheinlich eine der spektakulärsten Geschichten, die wir jemals gehört haben: Der Name Prandi stand fast 100 Jahre für großen Wein aus dem Piemont, war Vorreiter in einer Riege mit Namen wie Mascarello, Conterno und Co. Und doch ist der Name heute kaum mehr jemandem bekannt, war er doch über 32 Jahre nicht mehr auf Flaschen zu lesen. Teobaldo Prandi hat das Weingut 1864 gegründet, sein Sohn – ebenfalls Teobaldo – hat den Wein im landwirtschaftlichen Gemischtbetrieb noch mehr in den Fokus gesetzt und wurde zu einem der prägenden Gesichter der Region. Sein Sohn, Massimo Prandi, seines Zeichens Großvater der Winzerin Cristina Prandi im Fokus der aktuellen Folge, setzt nahtlos dort an und wird selbst zu einer der wichtigsten Persönlichkeiten Barolos. Als er 1987 verstirbt, gibt es allerdings keine Nachfolgeregelung. Der einzige Sohn ist Cristina Prandis Onkel Guiseppe ist eigentlich Künstler und lebt in Manchester. Zwar interessiert er sich für Weinbau und wurde auch zum Önologen ausgebildet – aber so richtig in diese großen Fußstapfen des Vaters zu treten war nie realistisch. Und doch musst er übernehmen, denn eine Frau als Wein-Oberhaupt der Familie war damals nicht denkbar.

Guiseppe Prandi fand seinen Weg: Er bewirtschafete die Flächen, füllte allerdings nie selbst Wein ab. Zu groß war der Druck aus der Gesellschaft, der Familie und überhaupt. Genau dieser Guiseppe sollte es auch sein, der die junge Cristina unter seine Fittiche nimmt als sie die Sommer der 2010er Jahre bei ihrer Großmutter und ihm am Weingut verbringt. Von dort kommt die Liebe zur Natur, zur Bewirtschaftung der wunderschönen Fläche in Paiagallo, direkt hinter dem einst so prestigeträchtigen Familiensitz der Prandis. Als 2015 die Großmutter verstirbt, vererbt sie der damals 19-jährigen Cristina Prandi 2 Hektar Fläche in Paiagallo San Sebastiano, die ihr persönlich gehörten. Damit wird der Bezug zum Wein noch stärker und Cristina entscheidet sich nach einem Slow Food Studium zu einer Spezialisierung auf Önologie. Gleichzeitig beginnt sie die ihre Flächen gemeinsam mit Guiseppe zu bewirtschaften und überzeugt ihn 2019 davon, dass der Name Prandi wieder auf Flaschen stehen sollte.

Leider geht die Geschichte nicht so romantisch weiter, wie sie beginnt: Guiseppe Prandi verstirbt 2021 plötzlich und ohne Testament, entsprechend fallen die 1,5 Hektar Flächen in seinem Besitz an die nächsten Verwandten zurück. Cristina bekommt dadurch zwar 0,5 Hektar über ihre Mutter, die beiden Tanten entscheiden sich allerdings dazu, ihre Flächen nicht an die junge, ambitionierte Nichte zu übergeben. So verliert Cristina nicht nur ihren Mentor, sondern auch das gesamte Weingut, ihren Arbeitsplatz, den Weinkeller. Die Aufteilung bleibt ungelöst und sie muss komplett neu starten. Mit unfassbarer Energie startet Cristina trotz aller Umstände in dieses Abenteuer, baut ihr eigenes Weingut neben einem Vollzeitjob bei Slow Food, Slow Wine auf und muss dafür finanziell und emotional an ihre Grenzen gehen. Unter anderem muss sie die Barolo Jahrgäng aus 2019 und 2020 – also jene Barolos die sie mit Guiseppe gemeinsam auf den Weg gebracht hat – zur Gänze im Fass verkaufen, auch in den Folgejahrgängen muss sie immer wieder Teile ihrer Ernte veräußern um liquide zu bleiben.

„It was like a big explosion“, so beschreibt Cristina diese Situation im Jahr 2021. Und trotzdem schafft sie es heraus aus dieser prekären Lage, meistert Hürde um Hürde, die sie als junge Winzerin (!) im Piemont vorfindet. Aktuell zieht sie ihr Weingut von Barolo nach La Morra um, hat dort eine Arbeitsstätte erworben und führt mit größter Hingabe das Familienweingut weiter. Der Name Prandi strahlt wieder auf den Flaschen und genau so strahlen auch die Weine. Jene Energie die Cristina mitbringt, spürt man mit jedem Schluck!

Fotos: © Wein für Wein;

Verkostungsnotiz Cristina Prandi – Langhe Nebbiolo 2021
Helles, dichtes Zinnoberrot, leicht violette Reflexe im Glas. In der Nase hat man gleich mal so einen staubig-pudrigen Steinmehl-Anklang, gepaart mit ordentlich Floralität, darunter sehr dichte, helle, rote und durchaus auch reife Frucht. Frisch eingekochte Erdbeermarmelade, die die Mama gerade abfüllt – das zieht dich richtig ins Glas rein! Zarte leicht pfeffrige Würzigkeit vervollständigt das Aromenspektrum hier, im Vordergrund steht aber ganz klar die Frucht. Der Wein versteckt sich absolut nicht, der möchte seine Zugänglichkeit und Saftigkeit schon in der Nase präsentieren. Am Gaumen setzt sich diese pudrige Steinmehlthematik fort, auch die Saftigkeit setzt sich zu 100% fort, absoluter Juice! Das Tannin ist natürlich noch ordentlich präsent, aber weit nicht so erschlagend wie man es von jungem Nebbiolo erwarten würde. Man spürt schon, dass es Cristina hier ganz klar um den Trinkfluss geht. Die Frucht ist am Gaumen weit frischer als die Nase es erwarten lässt, wir sind hier bei saftigem roten Apfel, etwas getrocknete Erdbeere dazu, etwas Herbstlaub kommt im Abgang dazu. So muss New Wave Piemont schmecken, geiles Zeug!

Verkostungsnotiz Massimo Prandi – Barolo 1967
Im Glas zeigt sich schon, dass wir es hier mit einem älteren Semester zu tun haben: Das ist schon ein sehr aufgehelltes, durchaus bräunliches Backstein-Rot. Die Nase ist sofort sehr intensiv präsent, man spürt natürlich zu allererst die Tertiärnoten in Richtung Walnuss, getrocknete Rosinen – aber der Wein ist ganz klar immer noch mehr als vital. Florale Noten, die für uns in Richtung kandierten Hibiskusblüten gehen, kommen dazu. Man spürt eine gewisse Frische und natürlich auch eine gewisse Konzentration, die mit der Reife mittlerweile in eine leichte Süße schwenkt. Dazu kommt etwas kandierter Ingwer mit dieser leichten Schärfe und eine dunkle Rauchigkeit – unfassbar wie lebendig das dasteht! Am Gaumen spürt man, was für eine intensive Struktur der Wein einmal gehabt haben muss: Auch nach über 50 Jahren ist da ein wunderschönes Korsett an Tannin und Säure spürbar, die den Wein gut und gerne mal ein bis zwei Jahrzehnte jünger erscheinen lässt. Auch am Gaumen zeigt sich diese Floralität, etwas Herbstlaub und eine wunderschöne Saftigkeit, die für uns fast einen Kernobst-Touch von rotem Apfel hat. Im immer noch unfassbar langen Abgang kommen die Tertiärnoten präsenter ins Spiel, das geht in Richtung Tabak, etwas Akazienhonig und Walnuss. Das ist ganz großer Wein in immer noch unglaublich gutem Zustand!

9,4/10

Punkte Kady

Richtig schön saftig, das Tannin ist natürlich präsent – wir sind im Piemont – aber will nicht so kämpfen wie sonst oft! Großartig!

9,4/10

Punkte Michael

Die Geschichte von Cristina ist unfassbar: So viele Hürden und jede meistert sie mit ihrer Energie! Große Story, genialer Wein!

Und hier findet ihr den Wein
Die Weine von Cristina sind mengenmäßig äußert rar und entsprechend schwer zu bekommen. Der aktuelle Jahrgang 2021 ist bereits überall ausverkauft, der 2022er steht allerdings bereits in den Startlöchern und trifft in kürze beim Österreich-Händler Kostraum ein. Bei Mathias und Jan kostet der Langhe Nebbiolo knapp 27€. Im Italien findet ihr die Weine bei einigen Vinotheken und in guten Lokalen direkt im Piemont, einfach die Augen offen halten. Insider-Tipp für Wiener:innen: Im Café Azzuro bei Mara Feißt ist der Langhe Nebbiolo aktuell für faire 56€ auf der Karte!

Das können wir noch empfehlen…
Sowohl der „normale“ Langhe Nebbiolo im Betontank als auch der Langhe Nebbiolo in der Sonderedition „Guiseppe Prandi“ sind in 2021 absolut großartig. Auch den 2022er konnten wir schon verkosten, hier gibt’s durch das etwas wärmere und schwierigere Jahrgang nochmal mehr Saft und Zugänglichkeit oben drauf – sprich der ist auch gleich mal ready zu trinken.

Podcast-Folge Nr. 168
Unsere Podcast-Folge zu Cristina Prandi könnt ihr überall hören, wo es Podcasts gibt – zum Beispiel direkt hier oder bei Spotify.