Von Porto bis Bilbao für Weinfreaks: Ein Guide für das nördliche Portugal und Spanien für Wein- und Genussliebhaber
Autor: Michael
Dauer: Knapp 2 Wochen
Reisezeit: Juli/August 2025
Fokus: Kulinarik
Inhalt
- Porto
- Pontevedra
- Sanxenxo
- Santiago de Compostela
- A Coruña und Gijón
- Santander
- San Sebastian
- Getaria
- Bilbao
Nachdem Kady und ich immer wieder kleine und größere Weinreisen unternehmen, unsere Urlaube in Weindestinationen verbringen oder zumindest rund um spannende Kulinarik-Hotspots aufbauen, dachten wir uns es ist Zeit, euch daran teilhaben zu lassen. In unserem Blog-Format teilen wir unsere Highlights und Enttäuschungen, die besten Restaurants und Geheimtipps, die uns auf unseren Reisen unterkommen.
Porto – Die Fassadenstadt mit Highlights im Heuhaufen
Ich habe meine Reise aus zwei Gründen in Porto gestartet: Einerseits war ich noch nie in der Stadt und wollte sie unbedingt einmal sehen – auf Fotos sieht Porto unfassbar schön aus. Andererseits erschien mir Porto als optimaler Startpunkt für den Norden Spaniens. Ein Flughafen, der von unserer Heimatstadt Wien direkt angeflogen werden kann, halbwegs preiswerte Flüge und keine zwei Stunden von der spanischen Grenze entfernt. Schon in meiner Recherche und meinen Gesprächen in der Kulinarik-Bubble musste ich feststellen, dass Porto kulinarisch keine so einfache Erfahrung werden könnte. Die Tipps waren eher spärlich, viele der Lokale schon wieder geschlossen oder neu übernommen worden.
Die Schönheit Portos ist unumstritten.
Der erste Eindruck, als wir in Porto angekommen sind: Viel. Touristen einerseits – aber klar, es ist auch Sommer und Hauptsaison. Aber viel überwältigender waren die in schierer Unendlichkeit aneinandergereihten Touri-Shops. Die zu Ramschläden umfunktionierten Weihnachtsmärkte, der 26. Azulejo-Dealer keines Vertrauens in einer einzigen Straße. Und selbst wenn man drei, vier oder fünf Seitengasse weiterging – touristische Läden oder eben nichts. Die Stadt selbst mit ihren kleinen, bunten Häusern und die von der Südseite der Arrabia-Brücke wunderschön zu betrachtenden Fassadenfront ist ein absolutes Highlight. Aber richtig wohlgefühlt haben wir uns hier nie. Kulinarisch haben wir einige Läden rund um die Innenstadt ausprobiert, die uns empfohlen wurden – weder Essen noch Trinken fanden wir besonders spannend. Im neu eröffneten Restaurant Minot kocht ein Franzose, die angepriesene Interpretation der portugiesischen Küche muss man sich selbst dazudenken – sie ist schlicht nicht vorhanden. Das Essen ist völlig in Ordnung, dazu gibt es eine kleine Weinauswahl portugiesischer – und vor allem natürlich französischer – Produzent:innen, die nicht sonderlich spannend ist.
Das Minot im Westen der Stadt – Französische Küche, etwas glanzlos, ohne echte Highlights.
Ein richtiges Highlight haben wir erst etwas außerhalb der Stadt gefunden: Die Küstenstadt Matosinhos, rund 15 Minuten von Porto entfernt, ist abgesehen von der Schwimmbadanlage von Álvaro Siza Vieira (die richtigerweise schon in Leça da Palmeira liegt) zwar architektonisch nicht relevant – aber hier findet man großartige Kulinarik. Wir waren bei Os Lusíadas und haben hier wohl die besten Meeresfrüchte unseres Lebens gegessen. Die große Seafood-Platte (176€ für zwei Personen) ist jeden Cent wert, auch die Vorspeisen waren sehr gut. Das Lokal ist ein richtiges feines oldschool Restaurant, weiße Tischdecken, viel Platz und sehr aufmerksames Service – aber immer mit einem höflichen Abstand. Hier trifft sich die gehobenere portugiesische Familie, nahezu der gesamte Raum war voller Stammgäste. Die Weinkarte ist – wie es sich für so ein Lokal gehört – natürlich sehr klassisch aufgebaut, man findet neben sehr günstig kalkulierten portugiesischen Klassikern natürlich viel Spanien, Bordeaux und Burgund. Wir haben uns für eine sehr, sehr gute Flasche Nossa Calcario 2015 von Filipa Pato entschieden und waren mit dem perfekt angereiften Baga mehr als happy. Als Alternative wurde mir mehrmals das nur einige Straßen weiter liegende O Gaveto – hier wird quasi das selbe Programm gespielt, das kommt beim nächsten Besuch in der Gegend an die Reihe.
Das Strandbad in Matosinhos – und der geniale Lunch im Os Lusiadas.
Und ja, natürlich sollte man einen Besuch bei Niepoort einplanen – bei mir ging es sich auf dieser Reise leider nicht aus, einer der wenigen Punkte um in nächster Zeit nochmal nach Porto zurückzukommen.
Weitere Empfehlungen in Porto, die wir nicht geschafft haben:
Pontevedra – Das verschlafene Galizien
Wechsel von Land, Szenerie und eigentlich allem, was man tauschen kann. Wir fahren mit dem Mietwagen die knapp zwei Stunden Richtung Norden über die Grenze nach Spanien, genauer gesagt in die Hauptstadt der Rias Baixas nach Pontevedra. Hier ist so ziemlich alles das Gegenteil von Porto: Außer Spanier:innen haben es noch keine Touristen in die schöne Altstadt geschafft, die Stadt ist nicht besonders fotogen – aber dafür umso entspannter. An jedem der unzähligen kleinen Plätze eine andere Tapasbar wo man gemütlich ein kleines Bier trinken kann – und auch kulinarisch hat die Stadt ein bisschen etwas zu bieten. Wir waren auf Empfehlung einer Exil-Galizierin im Restaurante Alameda 10. Als wir an unseren für 21:00 Uhr reservierten Tisch geführt wurden, war das kleine Lokal noch komplett leer. Englisch? Fehlanzeige. Mit dem etwas rostigen Spanisch meiner Freundin und Händen und Füßen funktioniert das allerdings ganz gut. Zu Essen gibt es galizische Klassiker, unkompliziert und nicht neu erfunden. Der gegrillte Hecht auf frischen Tomaten ist fantastisch, der kleinen, spanischen Weinkarte fehlen zwar die Jahrgänge – aber man findet sehr günstig kalkulierte Klassiker wie Remelluri oder Viña Tondonia. Ein insgesamt sehr gelungener Abend, als wir uns gegen 23:00 Uhr wieder auf den Weg nach Hause machen, ist das Lokal dann auch voll.
Die Altstadt Pontevedras und das traditionelle Restaurant Alameda 10.
Wir haben zwei Nächte in Pontevedra verbracht, für die Stadt selbst reicht sicherlich ein Tag, allerdings haben wir Pontevedra als Basislager für einige Ausflüge verwendet und für gut befunden. Ursprünglich hatten wir geplant unsere Zelte in Vigo aufzuschlagen – glücklicherweise wurde uns davon abgeraten, bei einem Kurzbesuch haben wir uns in der sehr rohen, industriell-geprägten Hafenstadt nicht wirklich wohlgefühlt. Ein Highlight rund um Pontevedra war auf jeden Fall das Angelito: Ein Lokal am Praia América, eigentlich mitten im Nirgendwo und rund 40 Autominuten von Pontevedra entfernt. Rund um das Städtchen Nigrán kann man ganz nett die Strände bewandern, der Lunch im Angelito blieb neben gutem, frischen Klassikern wie Pulpo und Garnelen vor allem dank der exzellenten Weinkarte in Erinnerung. Alejandro Castro hat das Lokal seiner Schwiegereltern übernommen und sich hier einen vinophilen Genusstempel aufgebaut, der keine Wünsche offen lässt. Die Weinkarte hat ungefähr so ausgesehen, als hätten wir sie geschrieben: Die spanische Avantgarde von Cantalapiedra über Candelario bis Las Toscas – alles vorhanden, Jahrgangstiefe inklusive. Man kann hier aber auch Richard Leroy, Philine oder Andi Tscheppe trinken. Das Ganze ist schon naturweinlastiger, man kann aber auch klassisch trinken. Das Lokal war wochentags zum Lunch gut gefüllt und ist schon ein etwas schickerer Spot – wir haben uns nach unserer Wanderung nochmal umgezogen, im Sportgewand fühlt man sicher hier eher nicht so gut aufgehoben.
Endlose Strandspaziergänge und ein echtes Highlight: Lunch im Angelito am Praia America südlich von Vigo.
Zurück in Pontevedra waren wir am zweiten Abend in der Viñoteca Bagos – eine Weinbar in einem Kellerlokal, von der Einrichtung eher die Schiene Ikea-Restaurant, aber man darf ja generell nicht nur von visuellen Eindrücken auf ein Lokal schließen. Die Empfehlung für das Lokal hatten wir auch mehrmals bekommen, ich habe die Bar auch in meinem eigenen Research auf ein paar Wein-Seiten aufpoppen gesehen – und die Weinkarte gibt dem allen vollkommen recht. Man kann hier sehr preiswert alle Weinregionen der Welt trinken: Von den lokalen Klassikern wie Zárate bis zu spannenderen Weingütern wie Victoria Torres, genauso aber auch vom Burgund über Jura bis an die Nordrhône und das Piemont (Piero Busso’s Albesani 2012 hätte mich auch sehr angelacht). Wir haben uns schlussendlich für eine sehr gute Flasche Alain Voge Cornas 2015 für knapp 90€ entschieden und waren damit sehr happy, leider stand der Rest des Lokals der Ausstattung für unseren Geschmack um nichts nach. Stilistisch wird hier versucht möglichst modern zu kochen, sprich die grundsätzlich frischen und hervorragenden Zutaten müssen unbedingt mit einem „Twist“ serviert werden. Das begann bei den Langostinos in Tempura mit Curry-Mayo (das war noch das Highlight) und endete bei mariniertem, zu Tode gebratenem Thunfisch auf Sesamcreme mit Wakame-Algen. Leider gar nicht unser Stil, entsprechend würden wir hier das nächste Mal nur noch zum Trinken kommen.
Weitere Empfehlungen in und um Pontevedra, die wir nicht geschafft haben:
Die Weinkarte genial, der Rest eher weniger: Viñoteca Bagos in Pontevedra.
Bis ans Ende der Welt – Michelin-Sterne mit Metallica-Untermalung
Bevor es für uns weiter nach Santiago de Compostela geht mussten wir natürlich noch die Strände und Dörfer der Bucht des Ria de Pontevedra erkunden, beginnend bei der Fischerstadt Combarro. Hier findet man die galizischen, auf Pfählen stehenden Speicherbauten – Hórreos – direkt am Wasser. Architektonisch und geschichtlich auf jeden Fall spannend, ein kurzer Stopp in der kleinen Stadt ist auf jeden Fall empfehlenswert, mehr als eine Stunde Zeit braucht man dafür allerdings nicht. Für uns ging es den ganzen Tag die Strände entlang, von Sanxenxo, das eher von wohlhabenden Spaniern besucht wird, bis nach Lanzada und dem schier endlos langen Praia de Lanzada. Hier gilt es vor allem jene Strände zu finden, die etwas windgeschützter sind und entsprechend mehr zum Verweilen einladen. Es gibt hier allerdings so viele kleine Strände, das für jeden Anspruch und gefühlt auch für jede Witterung – von Hitze und 35 Grad bis zu intensiven, kühlenden Winden – etwas dabei ist.
Combarro – die Fischerstadt mit den Hórreos direkt am Wasser.
Einen besonderen Zwischenstopp hatten wir noch eingeplant: Das mit zwei Michelin-Sternen (und einem grünen Michelin-Stern) ausgezeichneten Restaurant Pepe Vieira. Ich bin grundsätzlich in Gegenden mit hoher Produktqualität nicht unbedingt auf Sterne-Restaurants aus, dieses Lokal wurde uns aber öfter empfohlen und die Grundidee klang sehr spannend. Wunderschön einige hundert Meter erhöht über den Stränden von Sanxenxo gelegen, sitzt man im Pepe Vieira dank der großflächigen Verglasung fast im Herzstück des Lokals, dem Garten mit allen möglichen Kräutern und Gemüse – für einen Aufpreis kann man sogar eine Tour des Gartens buchen. Pepe Vieira selbst bezeichnet seine Küche als „Die Küche vom Ende der Welt“, angelehnt an den westlichsten Zipfel Spaniens, in dem wir uns hier befinden. Alte Traditionen und Rezepte werden hier wiederentdeckt und – das haben wir erst bei unserem Besuch mitbekommen – offensichtlich mit den 90er Jahren abgemischt. Warum die Servicekräfte ihren dunklen Anzug mit Air Jordans kombinieren müssen blieb den gesamten Abend genauso im Verborgenen wie die trotz Earpiece völlig fehlende Kombination zwischen den Mitarbeiter:innen oder warum zur Hölle es hier „Enter Sandman“ von Metallica spielt. Versteht mich nicht falsch, ich liebe Metallica und finde 90er-Jahre Rock fantastisch – aber warum? Ähnlich fasziniert hat mich nur das völlige Unvermögen der englischen Sprache: In einem 2-Sterner erwarte ich mir zumindest eine Beschreibung der Speisen und Zutaten sowohl auf Landessprache als auch auf Englisch, „This (sic!) are herbs from the garden“ erscheint mir nicht als korrekte Beschreibung eines Ganges in einem 255€-Menü, aber vielleicht liege ich auch einfach falsch. Wir haben den Abend genossen und herzlich gelacht, allerdings war auch hier abseits aller Service-Amusements die Stilistik der Speisen für unseren Geschmack in vielen Gängen zu gekünstelt. Geschmacklich waren die Gänge teilweise auf Weltklasse-Niveau (die Jakobsmuschel zu Beginn war hervorragend), dazwischen aber wieder weit entfernt von unserem Geschmack (viel überdeckende Geschmäcker wie Trüffel oder intensive Butter-Saucen auf frischen Meeresfrüchten, um ein Beispiel zu nennen). Insgesamt ein Erlebnis, das ich so nicht nochmal machen würde und für mich persönliche den Preis auch nicht wert war – aber hey, Metallica im Fine Dining, wo hat man das schon.
Pepe Vieira zwischen Genie und Wahnsinn: Aussicht wie manche Gänge genial, vieles allerdings absurd.
Am nächsten Tag ging es für uns auf eine kleine Waldwanderung entlang der „Ruta da Pedra e da Auga“ – eine schöne Route entlang des Rego da Armenteira, das uns körperlich auf die nächsten kulinarischen Abenteuer vorbereitet hat, man muss ja auch ein gewisses Gleichgewicht schaffen. Die Wanderung in der Nähe der Albariño-Hauptstadt Cambados ist nicht schwer und man kann auch einfach nur ein Stück entlang des Wassers gehen. Auf jeden Fall eine schöne, durch die dichten Laubwälder auch angenehm kühle, Angelegenheit. Apropos Cambados: In der Weinstadt an den Rias Baixas waren wir natürlich auch, das kann man meiner Meinung nach aber getrost auslassen, wenn man sich tiefer mit Kulinarik und Wein befassen möchte. Hier zielt man eher auf Touristen ab, die einfach einmal ein Gefühl für die Rebsorte Albariño bekommen möchten und möglichst viel Wein „kosten“ wollen. Mehr „Steiermark-Frühling am Wiener Rathausplatz“-Vibes als spannende Kulinarik.
Wanderroute am Wasser, eine kühlende Katze und Philine in Höchstform in der Taberna Lagüiña lieu-dit.
Einen Tempel für Weinfreaks haben wir dafür am Abend gefunden: Wir haben uns vor der Weiterfahrt entschieden, den Abend für ein kleines Lokal mitten im Nirgendwo zu opfern. Ich hatte keine Empfehlungen für das kleine Restaurant namens Taberna Lagüiña lieu-dit – aber die Weine bei den Rezensionen auf Google Maps sowie Instagram haben einfach zu richtig ausgesehen. Von Spanien-Hypes a la Obertura über Clos Rougeard und Labet bis hin zu Krug oder großem Bordeaux – alles da. Wir hatten keine Reservierung und keine Ahnung was uns erwartet, also haben wir versucht möglichst früh da zu sein. Zum Glück. Als wir um 21:00 dort waren, gab es genau noch einen Tisch. Die Weinkarte ließ wie zu erwarten keine Wünsche übrig (Barolo Preda 21 von Philine Isabelle um rund 150€ war schlussendlich unsere Wahl), das Essen sehr einfach, aber gut. Pimientos, Meeresfrüchte, Muscheln – alles frisch, sehr puristisch, genau das was man haben möchte. Das war sicherlich nicht die herausragendste Küche dieser Reise, aber gepaart mit der Weinkarte kann man dort auf jeden Fall hinfahren. Wichtig: Die Parkplatzsituation beim Lokal selbst ist eine Katastrophe, also früh kommen oder einfach unten an der Straße parken – der Fußweg dauert keine 5 Minuten. Und unbedingt auch im Sommer eine Jacke einpacken, das Lokal ist etwas höher gelegen und im offenen Gastgarten wird es schnell mal ordentlich windig.
Weitere Empfehlungen rund um Cambados, die wir nicht geschafft haben:
Santiago de Compostela – Pilgerstadt mit kulinarischen Ansprüchen
Die Erwartungshaltung an die wohl heiligste Stadt Spaniens war gespalten: Einerseits waren wir ganz gut mit Tipps für Santiago ausgestattet, es sollte also kulinarisch einiges zu erleben geben. Andererseits liegt es natürlich auf der Hand, dass eine Pilgerstadt enorm auf den Tourismus und die entsprechende Zielgruppe setzt. In der Innenstadt Santiagos angekommen, waren wir am ersten Abend schon sehr positiv überrascht. Hier herrscht reges Treiben – klar, wir sind in Spanien – und man hört alle Sprachen der Europas, aber auf den ersten Blick wirkt das nicht übertouristisch. Natürlich sind die zentralen Gassen wie die Rúa do Vilar und die Rúa Nova sehr belebt und es gibt immer mal wieder klassische Souvenirshops. Aber zwei Gassen weiter und schon ist es bedeutend ruhiger. Auch tagsüber hatten wir das Gefühl, dass sich Pilger, Touristen und Einheimische ganz gut aufteilen. Am Mercado de Abastos – wir haben direkt daneben in einem kleinen Airbnb gewohnt – waren die Galizier ab 6 Uhr morgens am lautstarken Diskutieren, der Markt ist generell einen Besuch wert.
Überraschend ruhig und kulinarisch großartig: Die Pilgerstadt Santiago de Compostela.
Kulinarisch haben wir zum Lunch die Pampín Bar besucht, die einige hundert Meter vom Stadtzentrum entfernt liegt und sich recht versteckt in einem Innenhof befindet. Von außen sieht das Restaurant, das auch 2025 im Guide Michelin erwähnt wurde, eher nach einem heruntergekommenen Beisl aus, doch sobald man das Lokal betritt, ist man sich doch wieder sicher: Wir sind da schon richtig. Sehr schlichtes, helles Interieur prägt das kleine Restaurant, überall sind kleine Keramikteller an der Wand aufdrapiert. Wir haben das kleine Menü vorgebucht, man kann aber auch a la carte essen. Das Lunchmenü war absolut hervorragend, vom Steaktatar mit Anchovis auf Brioche über die rohe, in Zitrone marinierte Jakobsmuschel bis zum herrlich zarten 24 Stunden geschmorten Rind. Was nicht nach einem Mittagsmenü für heiße Tage klingt, war absolut großartig abgeschmeckt und hatte durch die Bank eine feine Säure. Apropos Säure: Die kleine Weinkarte ist sehr lokal fokussiert, bietet dabei einerseits ein paar moderne Klassiker wie Zarate aber auch Freakstoff von Envinate bis zu Tony Bornard. Keine Karte, wo man eigentlich 15 Flaschen bestellen möchte – aber man findet für jeden Geschmack etwas Schönes.
Herzensempfehlung: Die Bar Pampin in Santiago haben wir sehr geliebt.
Nachmittags gab’s einen kurzen Abstecher zur Bar Xénese – eine Weinbar, in der jede Woche eine Region ins Rampenlicht gestellt wird und dazu knapp 10 Weine offen verfügbar sind. Der Fokus liegt hier klar auf dem Naturwein-Bereich, versorgt wird das Ganze vom dazugehörigen Weinhandel Viños Vivos. Der Shop – naja eher ein Lagerraum – ist nur zwei Türen weiter und kann auf Nachfrage in der Bar besichtigt werden. Mit dem Eigentümer lässt es sich entspannt über Wein disktuieren, man kann hier neben allen möglichen galizischen Geheimtipps auch gehypte französische (Chantreves, Gonon …) und italienische Produzent:innen (Viños Vivos ist auch für die Philine Allokation in der Region zuständig) einkaufen. Abends waren wir dann noch im Abastos 2.0 – das Lokal ist quasi in jedem Reiseführer zu finden, die Grundidee klingt aber einfach zu richtig um es nicht auszuprobieren. Keine fixe Karte, einfach die frischesten Meeresfrüchte, Fische und Gemüse vom Markt selben Namens. Ein sehr puristischer Küchenstil, der natürlich dazu passt, qualitativ wirklich fantastische Gerichte und – für Spanien eher untypisch – enorm schnelles Service. Gut, im Vergleich zu allen anderen Lokalen gibt’s hier auch zwei Seatings und um Punkt 22:00 muss man wieder raus. Weintechnisch ist die Karte eher auf der langweiligeren Seite, aber für frisches Seafood und großartiges Gemüse kann man hier auf jeden Fall hingehen!
Ausbeute der letzten Tage und Einkauf bei Viños Vivos. Großartige Kulinarik: Abastos 2.0
Weitere Empfehlungen rund um Santiago de Compostela, die wir nicht geschafft haben:
Von A Coruña bis Gijón – Den Stränden folgend nach Asturien
Weiter auf unserem Weg in Richtung Bilbao geht es für uns erstmals an die Nordküste Spaniens, genauer gesagt nach A Coruña. Mein Vorwissen beschränkt sich ziemlich auf die hiesige Fußballmannschaft, die in den frühen 2000ern national und international für Furore gesorgt hat – wir lassen uns also überraschen. Bei der Ankunft in der Hafenstadt konnten wir noch nicht erahnen, dass wir die nächsten 5 Tage bis nach San Sebastian quasi keine internationalen Touristen mehr begegnen sollten. A Coruña selbst schwankt irgendwo zwischen moderner, reicher Hafenstadt und altem Industriegebiet. Abseits des durchaus sehenswerten Playa del Orzán, der sich quasi über die gesamte Länge der Altstadt zieht, hat uns A Coruña visuell mäßig begeistert. Die Stimmung gehoben hat definitiv das Konzert von Bonnie Tyler am prall gefüllten Praza de María Pita, dem größten Platz der Stadt. Komplett kostenlos, in schlechtem Englisch grölende Spanier:innen inklusive – das war schon ein herrliches Erlebnis. Kulinarisch muss man in der Hafenstadt schon etwas genauer hinsehen. Das mehrmals empfohlene Restaurante 55 Pasos hatte leider geschlossen, wir sind schlussendlich im O’Secreto gelandet. Hier dreht sich alles um eine kleine, klassische oldschool-Weinkarte, die sehr fair kalkuliert ist. Dazu gibt’s verschiedene Tapas, vor allem unterschiedlichste Wurst- und Käseaufschnitte sind die Spezialität. Qualitativ in Ordnung, aber kein Lokal, dass man unbedingt gesehen haben muss. Für die geniale Weinkarte sind wir dann noch kurz ins Jaleo: Sehr fair kalkuliert, hier lässt sich großes Burgund zu vergleichsweise kleinem Preis trinken. Natürlich kann man auch Spanien auf und ab trinken, alles eher auf der moderneren, klassischeren Seite – aber wer Mugnier, Thibaud Boudignon oder auch Ganevat auf der Karte hat, der weiß schon was gut ist.
A Coruña in a nutshell: Beliebter Stadtstrand und groß trinken.
Über zahlreiche kleine Strände und schroffe Steilküsten haben wir uns dann den Weg zu unserer nächsten Unterkunft in Gijon gebahnt. Es lohnt sich hier statt der Autobahn im Landesinneren direkt an der Nordküste entlang zu fahren. Das kostet zwar erheblich mehr Zeit, die unglaublich diverse Vegetation gibt einem allerdings immer aufs Neue recht. Von schönen Stränden wie dem Playa de Ponzos bis zur unendlich windigen Hochebene Sierra de la Capelade ist alles dabei – aber Achtung, es wird an den Steilküsten Capeladas so richtig kalt und der Wind erreicht teils so Geschwindigkeiten, dass wir unsere Fleecejacken gut gebrauchen konnten. Sobald man von der Hochebene wieder hinunterfährt – einen kleinen Fotostopp beim Leuchtturm Cabo Ortegal kann man ruhig einplanen – geht es mit besseren Witterungen und mehr Stränden weiter. Wir wollten kurz vor Gijón noch die berühmten Strand As Catedrais besuchen – zur Hauptsaison muss man hier allerdings im Vorfeld einen Timeslot buchen, damit man überhaupt an den Strand gelassen wird.
Die Diversität Nordspaniens: Von schroffen Klippen, Pferden auf Hochebenen bis zu faszinierenden Stränden.
Gijón selbst war von Anfang an mehr als Zwischenstopp denn als spannende Destination geplant – und dieser Eindruck hat sich für uns auch bestätigt. Ähnlich wie A Coruña ist Gijón eine klassische, spanische Hafenstadt mit zwei großen Stränden, wo sich gefühlt das gesamte Leben abspielt, und viel Industrie rundherum. Kulinarisch ist man hier schon sehr eingeschränkt, wir haben mehr oder weniger ins Blaue ein gut aussehendes Restaurant gebucht. Das Farragua am Beginn der Altstadt sieht auf den ersten Blick nach wannabe-fine-dining aus – was wir dann zu Essen bekommen haben, war aber absolute Weltklasse. Die Weinkarte ist vernachlässigbar, das sehr günstige 8-Gang-Menü für 66€ hat uns allerdings nachhaltig beeindruckt. Was Chefkoch Ricardo Señorán hier auf die Teller bringt – und großteils selbst serviert – ist großes Kino. Den minimal angebratenen Thunfisch auf herrlich erfrischendem Knoblauch-Schaum haben wir ebenso geliebt wie die geschmorte Rindszunge mit Limette. Lohnt es sich nur für diese Experience nach Gijón zu fahren? Wahrscheinlich nicht. Aber wenn wir mal wieder in der Gegend sind, ist das Farragua ein Fixpunkt.
Ein Menü für 66€, das seinesgleichen sucht: Das Farragua von Ricardo Señorán.
Weitere Empfehlungen für A Coruña und Gijón, die wir nicht geschafft haben:
Santander – Der Geheimfavorit
Ein weiterer Ort, der für uns ein absolut unbeschriebenes Blatt darstellte, war Santander. Nach den doch eher durchschnittlichen Küstenstädten A Coruña und Gijon war unsere Erwartungshaltung für Santander ähnlich. Noch dazu waren wir an einem Montag hier, also nicht unbedingt der belebteste Tag für eine Stadt – schon gar nicht für kulinarische Erlebnisse. Die Stadt selbst hat uns trotz Anfangsschwierigkeiten auf Unterkunftsseite – wir mussten vom gebuchten Apartment in ein Hotel wechseln, weil leider hygienisch nicht tragbar – zu Beginn gleich mal positiv überrascht. Ein richtiges Stadtzentrum im historischen Sinne gibt es hier eigentlich nicht, da quasi das gesamte Stadtzentrum einem Großbrand in den 40er Jahren zum Opfer gefallen ist. Das von Einheimischen und spanischen Touristen dominierte Abendleben beginnt rund um die Calle Hernan Cortes und die Calle Daoiz y Velarde. In letztgenannter befindet sich auch das einzige Lokal, das uns in Santander so richtig mit Nachdruck empfohlen wurde: Die Bodega Cigaleña. Glücklicherweise auch Montags geöffnet war unser Plan, hier am Abend hinzugehen. Wie für die meisten Restaurants auf unserer Route hatte ich schon Wochen im Voraus versucht zu reservieren – Betonung auf versucht. Ein Reservierungstool gibt es nicht, meine Mails und Kontaktformular-Versuche blieben erfolglos. Ein paar Tage vor unserem Besuch haben wir es nochmal telefonisch versucht, mit mittleren Spanisch-Kenntnissen ist man hier leider auch nicht besonders gut aufgehoben: Nachdem die ersten Sätze noch auf Spanisch hin und her gingen, wurde der Reservierungsversuch mit „Full.“ und dem abrupten Ende des Telefonats verweigert. Aufgrund der Kombination von Empfehlungen von sehr gastronomie-fachkundigen Menschen und des Faktums Montag, habe ich noch einen verzweifelten Versuch unternommen: Da die Weinwelt bekanntlich ein Dorf ist, habe ich einen spanischen Sommelier um Hilfe gebeten, den wir während unserer Reise kennengelernt hatten. Quasi als letzter Strohhalm, denn das was man online zum Lokal findet, sah schon unfassbar richtig aus.
Das Centro Botin ist das neue Wahrzeichen Santanders.
Wir hatten Glück: Keine 10 Minuten nach meiner Anfrage hatten wir den Tisch, das gute alte Vitamin B funktioniert eben auch in Spanien. Die Bodega Cigaleña war auch Montag Abends komplett voll, keine Überraschung also, dass man hier nicht ganz so leicht an einen Tisch kommt. Alleine während unseres rund zweistündigen Aufenthalts haben gezählte 30 Gäste nach einem Tisch gefragt, sie wurden allesamt abgelehnt. Mit einem lauten Arriba wurde uns die Abendkarte gebracht, die Motivation der gesamten (eher Altherren)-Mannschaft ist zu jedem Moment spürbar. Essenstechnisch sind wir hier wieder sehr puristisch unterwegs: Perfekt gereifte Tomaten, etwas Olivenöl, eine Prise Meersalz – Herz was willst du mehr. Gegrillte Garnelen, Thunfischtatar, Steak. Das Essen war absolut großartig – und doch nur eine Begleiterscheinung. Im Fokus steht hier ganz klar das Thema Wein. Im gesamten Lokal reihen sich Flaschen alter Meister neben die größten Hypes der Naturweinwelt, von Vega Sicilia Unico über Mouton Rothschild bis hin zu Overnoy und Kagami. Von den 1920er bis zu aktuellen Superstars gibt die Dekoration schon einen Einblick darauf, was einen in der Weinkarte erwartet. Man kann hier sehr preiswert trinken. Punkt. Das geht von Loire-Magiern wie Richard Leroy für vergleichsweise (!) günstige 120€ über Rioja aus den 80er bis zu großem Burgund. So eine nutzerfreundlich kalkulierte Weinkarte habe ich noch selten gesehen, auch in der Breite und Tiefe bewegen wir uns hier auf allerhöchstem Niveau. Ganz ehrlich, ich hätte am liebsten mit 10 guten Weinfreunden fünf Abende am Stück hier verbracht. Schlussendlich wurde es eine Flasche Kagami, einfach weil man das trinken muss, wenn es einmal im Leben halbwegs leistbar auf einer Karte zu finden ist. Eine großartige Flasche Wein, passend zum großartigen Abend. Der übrigens auch klare Grenzen hat: Rund 10 Minuten vor 23:00 wird alles abgeräumt und kassiert, wo andere Lokale in Spanien gerade erst aufsperren, ist hier wieder Sperrstunde. Man hat das Gefühl, hier sind einfach ein paar Freaks am Werk, die dieses Lokal für Ihresgleichen erschaffen haben: Für Weinfreaks, für Liebhaber:innen. Aber eben nach den eigenen Regeln. Ein Erlebnis, dass wir so schnell nicht vergessen werden.
Am nächsten Tag ging es für uns dann noch ins Centro Botin: Das moderne, architektonisch durchaus spannende Kulturzentrum versucht den Erfolgen Bilbaos nachzueifern. Quasi ein kleines Guggenheim, dass kunst- und kulturinteressierte Touristen nach Santander locken soll. Das Gebäude ist durchaus gelungen, die Ausstellungen sind es ebenfalls – von Frank Gehry und der Dependance des New Yorker Kultmuseums ist man allerdings doch noch einige Klassen entfernt.
Ein Abend aus dem Bilderbuch: Bodega Cigaleña.
Weitere Empfehlungen für Santander, die wir nicht geschafft haben:
San Sebastian – Auf ins Baskenland
Endlich wieder eine überfüllte Touri-Stadt, das waren wir nach den international kaum erschlossenen Städten an der Nordküste Spaniens ja kaum mehr gewohnt. Aber im Ernst: San Sebastian ist natürlich ein absoluter Tourismus-Hotspot, die Altstadt ist tagsüber mehr als nur voll und in der ganzen Stadt hört man alle Sprachen dieser Welt. Und trotzdem schafft es San Sebastian, zu jedem Zeitpunkt seinen Charme zu behalten. Selbst in der überfüllten Altstadt findet man nette Lokale und Boutiquen neben Touristenfallen und Souvenirständen. Und das Beste: Keine zwei Gassen weiter – oder eher ein paar Höhenmeter rund um den Monte Urgull – und schon kehrt wieder Ruhe ein. Hinzu kommt, dass man in San Sebastian enorm die Tagestouristen merkt, entsprechend entspannt und still wird es abends. Und frühmorgens ist die Stadt ohnehin menschenleer. Kulinarisch ist San Sebastian relativ dicht: Zwischen mehrfach besternten 300€+ Menü-Lokalen bis zu kleinen Bistros ist hier alles dabei, nachdem wir unsere Sterneerfahrung bereits gemacht hatten (und noch eine Kleinigkeit geplant war) stand für uns eher Zweiteres auf dem Programm.
Besser geht es kaum: Der Sonnenaufgang im (noch) menschenleeren San Sebastian.
Am ersten Abend waren wir im Manojo, einem kleinen Naturwein-Bistro in Gros, einem insgesamt etwas ruhigeren Stadteil im Nordosten. Aufgrund einer Veranstaltung war hier noch mehr los als sonst, entsprechend geschwommen sind die Gastgeberinnen auch bei den Bestellungen. Nichtsdestotrotz war die Stimmung super, die Speisen in Ordnung und die (Natur-)Weinkarte ebenso. Gleichzeitig hätte dieses Bistro natürlich überall in der Welt sein können, weder Speisen noch Weinkarte war großartig lokal angepasst. Wer eine gute Flasche Ganevat oder Goyo Garcia zu etwas zu teuren Preisen trinken möchte, kommt hier allerdings auf jeden Fall auf seine Kosten. Ganz nach dem Motto: Kann man machen, muss man nicht. Am nächsten Abend waren wir in der Bar Arenales, die sehr ähnlich aufgebaut ist. Im Vergleich zum Manojo ist hier die Weinkarte etwas spannender und tiefer, auch preislich nochmal deutlich fairer. Und auch essenstechnisch hat uns das mehr abgeholt: Das war verspielter, überlegter, mit mehr spürbar baskischem Einfluss ausgestattet. Einfach mehr unser Ding, wenn auch insgesamt nicht überragend.
Die Aussicht auf La Concha und abends im Manojo und der Bar Arenales.
Dazwischen stand noch ein Klassiker auf dem Programm, den man ohne Empfehlung oder guter Recherche wahrscheinlich gar nicht so am Schirm hat: Das Ganbara. Eine absolute Institution liegt das Lokal mitten in der touristisch-überlaufenen Innenstadt und sieht auf den ersten Blick genau gleich aus wie die gefühlt 20 Lokale in der selben Straße. Eine holzvertäfelte Bar, auf der von Glashauben geschützt rund zwanzig verschiedene Pintxos zur Auswahl stehen. So weit, so typisch. Die kleine Schlange vor dem Lokal deutet schon darauf hin, dass das Ganbara in so circa jedem Restaurantführer steht. Der wahre Clou: Mit Reservierung wird man in einen Mini-Speisesaal im Keller geführt, bei sieben Tischen haben hier maximal 30 Personen Platz. Statt Pintxos gibt es hier ein traditionelle Menükarte, von Croquetas über Gambas bis hin zu den berühmten Hongos – gebratene Pilze mit rohem Dotter – wird hier alles serviert. Dazu gibt’s eine Weinkarte, die von Coche Dury über Pierre Gonon oder Viña Tondonia alles zu bieten hat, was die (klassischere) Weinwelt liebt.
Dinieren im Hinterzimmer der Institution Ganbara.
Weitere Empfehlungen für San Sebastian, die wir nicht geschafft haben:
Getaria – Fischerdorf, Steinbutt & Balenciaga
Der 3.000 Einwohner-Ort Getaria liegt knapp 20 Kilometer westlich von San Sebastian – und war nicht zufällig auf unserer Route. Das wahrscheinlich am meisten empfohlene – und auch am enthusiastischsten – empfohlene Lokal Nordspaniens liegt in diesem kleinen Ort. Das Elkano. Vor unserem Besuch des mit einem Michelin-Stern und ordentlich Vorschusslorbeeren ausgezeichneten Lokals stand allerdings das zweite relevante Gebäude der Stadt auf unserer Liste. Das Museum zu Ehren Cristobal Balenciagas, der Modeschöpfer wurde 1895 in der kleinen Hafenstadt geboren. Die Dauerausstellung zum Leben des Königs der Haute Couture ist durchaus auch für Nicht-Modefreaks spannend, ingesamt fehlte uns ein bisschen der Kontext zu den Stücken und dem Einfluss der Kreationen.
Unscheinbar von Außen, legendär das Erlebnis: Elkano.
Nun gut, am Ende sind wir ja nicht für die Mode, sondern für die Kulinarik hier. Ein Faktor noch am Rande: Wer das Elkano oder Getaria insgesamt per Auto besuchen möchte, sollte früh dran sein. Parkplätze sind absolute Mangelware, viele scheinbar freie Plätze sind Privatparkplätze und werden hart abgestraft. Lieber einiges an Zeit einplanen, sonst bekommt man eventuell etwas Stress mit seiner Reservierung. Im Elkano dreht sich alles um Fisch – und um einen riesigen Holzofen-Grill. Zwischen Menü und a la Carte schwankend haben wir uns für das Schauspiel in 10 Gängen (195€) entschieden – wenn man schon mal da ist. Das Menü ändert sich täglich und basiert im Endeffekt auf dem morgendlichen Fang der Fischer aus Getaria. Das klingt wie eine wohl überlegte Marketing-Phrase, ist anhand der Produktqualität aber durchaus realistisch. Die einzelnen Gerichte – vom Thunfisch über Hummer bis zum Hecht und Zackenbarsch – werden minimalistisch und pur präsentiert, hier gibt es keinen unnötigen Schnickschnack. Jeder Gang spiegelt puristische Perfektion wider, keine Sauce, keine Geschmacksverstärkung, einfach nur das Grundprodukt. Roh, leicht gegart oder gegrillt – je nachdem wie es die Hauptzutat benötigt. Wir waren von jedem einzelnen Gang begeistert, das große Highlight ist aber der Steinbutt. Über den Flammen des großen Holzofens gegrillt, kommt der Steinbutt im Ganzen an den Tisch, wird vor dem Gast zerlegt und in zwei Gängen serviert: Zu Beginn werden die saftigen Filetstücke, die vom Holzkohlegrill rauchige Haut und Teile der Gelatine-haltigen Flossen serviert. Im „zweiten Gang“ wird dann der Kopf und die Wangen zerlegt und serviert. Weltklasse!
3x Weltklasse: Grill, Steinbutt, Syrah.
Für mich unverständlich für eine Institution wie das Elkano, aber die Weinkarte ist tatsächlich auf einem (schlecht funktionierenden) Tablet. Das passt zwar absolut nicht zur entspannten, aber gehobeneren Atmosphäre des Restaurants, aber gut. Trinken kann man hier von Spanien über Burgund bis zur nördlichen Rhône im klassischen Sinne so ziemlich alles, was man sich wünscht. Der Fokus liegt natürlich auf Weißwein und Schaumwein, aber auch die Rotwein-Karte ist durchaus stark. Nachdem wir im Moment – spätestens an dieser Stelle dürfte das schon aufgefallen sein – mehr Rot als Weiß trinken, war es dann eine geniale Flasche Syrah von Thierry Allemand aus dem genialen Jahr 2015, auf die unsere Entscheidung gefallen ist. Im Vergleich zum Rest unserer Reise war die Elkano-Weinkarte sicherlich nicht die preisgünstigste – gefühlt zahlt man hier schon normale mitteleuropäische Preise – aber auf jeden Fall eine der tieferen Karten.
Würden wir wieder ins Elkano gehen? Auf jeden Fall. Das war mit das kulinarische Highlight unserer Reise, eine Erfahrung die jeder Kulinarik-Freak einmal gemacht haben sollte.
Weitere Empfehlungen für Getaria, die wir nicht geschafft haben:
Bilbao – Zwischen Folklore und Kulinarik-Odyssee
Das große Finale und der letzte Halt unserer Reise: Das Herz des Baskenlandes, Bilbao. Ich war zuletzt vor fast 10 Jahren in Bilbao und hatte durchaus positive Erinnerung an die Stadt. Im Endeffekt teilt sich Bilbao für mich in drei relevante Teile: Die historische Altstadt im Süden, der modernere Stadtteil Abando mit dem Guggenheim Museum und das Hafengebiet von Areeta, das eigentlich zu Getxo und damit nur halb zu Bilbao gehört. Letzteres ist mit der Metro rund 30 Minuten vom Stadtzentrum entfernt und zeigt ein völlig anderes Bild, harte Übergänge zwischen den Villen altreicher Basken und von lateinamerikanischen Communities dominierten Wohngegenden. Rund um die Baste Taberna (hier kann man Matassa neben Viña Tondonia und Cantillon trinken) fand bei unserem Besuch gerade ein nicht-identifizierbares Straßenfest statt, grundsätzlich wurde uns das Lokal aber mehrmals empfohlen. Die Cheeseburger-Hälften – aufgrund der Festlichkeiten das einzige Gericht – waren als kleine Snacks jedenfalls großartig.
Bilbao ist kulturell großartig, kulinarisch ausbaufähig.
(Wein-)Kulinarisch ist Bilbao ein schwieriges Pflaster: Wir haben uns den Großteil unseres Aufenthalts im Stadtteil Abando aufgehalten, im Vergleich zur Altstadt ist es hier weit weniger touristisch und nicht so überfüllt, nur rund um das Guggenheim ist natürlich immer einiges los. Die Weinbar Cork (Abzüge für den kreativen Namen) liegt ebenfalls in diesem Viertel und war für uns so die einzig kulinarisch relevante Station: Die Pintxos und servierten Gerichte waren nicht herausragernd, aber durch die Bank gut. Die Weinkarte ist sehr fair kalkuliert und hat einen Fokus auf alles aus dem spanischen Natural-Spannungsbereich von Victoria Torres über Inaki Garrido bis Alfredo Egia – man kann aber auch Bartolo Mascarello und Arnaud Lambert trinken. Um ins Verhältnis zu setzen, wie durchwachsen die kulinarische Situation in Bilbao ist: Wir waren großteils einfach Pintxos essen und beide Abende sind wir am Ende aufgrund mangelnder Alternativen im Cork gelandet. Die Stadt ist insgesamt großartig, für Kulinarik-Reisende empfiehlt sie sich aber dann doch eher als Ausgangspunkt für kleine Touren in Richtung Asador Etxebarri und Co.
Unser sicherer Hafen: Die Weinbar Cork.
Für uns ging in Bilbao eine großartige Reise durch den Norden Spaniens mit zahlreichen Highlights zu Ende, ich hoffe diese Zeilen können als Inspiration für Wein- und Genussfreaks wie uns dienen – Nordspanien gehört einfach viel mehr gefeiert!
Weitere Empfehlungen für Bilbao, die wir nicht geschafft haben: