Gut Oggau: Joschuari 2021

Oggau, Neusiedlersee, Burgenland
Rebsorte: Blaufränkisch

Kategorie: classic – funky – crazy

Wenn international über Naturwein gesprochen wird, dann fällt dieser Name garantiert eher früher als später: Gut Oggau. Wir sprechen in dieser Folge darüber, wie sich Stephanie und Eduard, die beiden Köpfe hinter dem legendären Naturweingut, kennenlernten und für beide ganz schnell klar wurde: Wir wollen unser Leben gemeinsam verbringen.

Stephanie wächst in einer bekannten österreichischen Gastronomenfamilie auf. Der Taubenkobel im burgenländischen Schützen am Gebirge wird von ihren Eltern geführt, doch Stephanie entscheidet sich mit 14 dazu, nach Graz ins Internat zu gehen, um an die HTL für Grafik, Design, Fotografie und Film gehen zu können. Ihre Kreativität und ihr Gefühl für Design machen sich auch heute noch ganz klar bemerkbar. Dem Schulabschluss und einem Au-pair Aufenthalt in den USA folgt dann doch die Entscheidung für die elterliche Branche. Stephanie geht nach Lausanne und studiert dort Hospitality Management. Später geht sie nach Paris und kocht bei Joël Robuchon. Bevor sie für eine neue Restaurant-Dependance nach Hongkong geht, stattet sie der Familie in Österreich einen Besuch ab und landet so auf einem Event, dass ihren Weg komplett verändern sollte.

„Ich hätte mir nie gedacht, dass ich mal in Österreich wohnen, heiraten oder gar Kinder bekommen würde!“ Damit leitet Stephanie die Geschichte über ihre Begegnung mit Eduard ein. Der war als Winzerkind zwar ebenfalls zunächst nicht an der Tätigkeit seiner Eltern interessiert, geht nach Graz auf ein Gymnasium und studiert später an der Wirtschaftsuniversität Wien. Als die Zeit in Wien zu Ende geht, ist das Interesse für den Weinbau allerdings da. Nun aber kann er das Weingut der Eltern aufgrund einer wirtschaftlichen Misere nicht wie geplant mit seinem Bruder übernehmen. Dennoch geht er in die Südsteiermark und arbeitet für den Betrieb. So landet er eines Abends auf der gleichen Veranstaltung wie Stephanie. Nach 5 Minuten scherzen die beiden, als wären sie schon seit 20 Jahren verheiratet, ein Jahr später sind sie es tatsächlich.

Zu diesem neuen Leben von Stephanie und Eduard gehört rasch auch das Gut Oggau, ein altes Weingut mitsamt 9 Hektar Weingärten, vorrangig gefüllt mit alten Reben. Von der Vorbesitzerin war Rebfläche ebenso wie das Haus nur noch stiefmütterlich gepflegt worden, die Trauben wurden verkauft. So hatten Stephanie und Eduard nur eine Idee davon, was in den alten Reben an Potenzial stecken könnte, es gabt jedoch seit Jahren keine Weine, die das beweisen konnten. Und so stand für beide fest, dass sie zu Beginn sehr reduziert arbeiten wollen um zu sehen, ob das erwartete Potenzial tatsächlich erfüllt werden würde. Von Beginn an wurde am Gut Oggau auf Biodynamie gesetzt – und das im Jahr 2007, einer Zeit, als Bio und Demeter noch höchst unsexy waren und es in Österreich nur wenige weitere Vorreiter auf diesem Gebiet gab.

Wie sich der Kultstatus rund um Gut Oggau entwickelt hat und das Konzept der Weinfamilie entstand, die mittlerweile ganze 12 Mitglieder aus drei Generationen zählt, das hört ihr in der Podcast-Folge.

Weinfotos: © Wein für Wein; Foto der Winzer:innen: © Gut Oggau

Verkostungsnotiz
Im Glas ein klares Rubinrot. In der Nase kommt uns zunächst ein Mix aus dunklen und roten Beeren entgegen und zieht uns direkt ins Glas. Dazu eine fast erdige Würzigkeit, gepaart mit einer intensiven Fleischigkeit und einem Hauch flüchtiger Säure, die hier gut ins Bild passt. „Es riecht nach purem Saft“, meint Michi. Am Gaumen bringt der Wein noch mehr Würzigkeit mit, als die Nase vermuten lässt. Nichts erdiges, kein Waldboden, dafür eine karge, fast scharfkantige Schiefernote und Rauchigkeit. Die Frucht spielt ganz zu Beginn auf, hier geht’s für uns Richtung reife Brombeere, dunkel und dicht, dann geht’s Richtung Preiselbeere. Das Tannin istauf der fein und zurückhaltend, die Säure ist dafür ganz klar auf der intensiven, noch etwas scharfkantigen Seite. Ecken und Kanten hat er durchaus, der Joschuari, aber die balanciert er mit seiner sanften Seite aus. Und klar, ein wenig Funk ist hier durchaus zu spüren, die fleischige Reduktivität der Nase ist hier aber nur noch in Ansätzen zu spüren. Richtung Abgang wird der Wein immer karger, steiniger, rauchiger.

9,3/10

Punkte Kady

Der Joschuari bleibt mit seiner wandelbaren Art von vorne bis hinten spannend – zuerst mit seiner Saftigkeit, die nach hinten hin komplett in eine karge, steinige Rauchigkeit übergeht.

9,2/10

Punkte Michael

Schon die Nase lässt hier Saftigkeit vermuten, gepaart mit ein kleinwenig flüchtiger Säure zieht mich der Wein gleich zu Beginn komplett ins Glas.

Und hier findet ihr den Wein
Die Weine von Gut Oggau findet ihr in ganzen 66 Ländern, auch in Österreich und Deutschland sind sie gut vertreten. Unter anderem findet ihr den Joschuari 2021 bei Weinskandal, Wein am Limit oder Natural Wine Dealers. Kostenpunkt knapp € 60.

Das können wir noch empfehlen…
Für den Einstieg in die Welt von Gut Oggau eignet sich eine Bekanntschaft mit Theodora bestens. Und allen, die gerne tiefer in die Oggau’sche Geschichte eintauchen wollen, empfehlen wir den 2016 Gut Oggau Weiß, der aktuell als Late Release verfügbar ist – eine Familienzusammenführung quasi.

Podcast-Folge Nr. 165
Unsere Podcast-Folge zu Stephanie und Eduard von Gut Oggau könnt ihr überall hören, wo es Podcasts gibt – zum Beispiel direkt hier oder bei Spotify.