Weingut Georg Breuer: Riesling Lorcher Pfaffenwies 2021
Rüdesheim, Rheingau, Deutschland
Rebsorte: Riesling
Kategorie: classic – funky – crazy
Die Wurzeln des Weinguts Georg Breuer liegen im Rüdesheim der 1880er. Gegründet wird der Betrieb als Weinkellerei und -handel, die bestehende Eigenfläche ist nahezu komplett irrelevant und landet im Kellereiwein. Erst nach dem 2. Weltkrieg wird aus der Not eine Tugend gemacht – die bestehenden Strukturen sind geschwächt, Rebflächen sind günstiger zu haben und einen Keller hat man ja – so werden Ende der 50er unter Georg Breuer erstmals Flaschenweine aus eigener Produktion abgefüllt und unter dem eigenen Etikett verkauft. Doch es braucht eine neue Generation, um das Thema Qualitätswein im großen Stil auf den Plan zu rufen.
Bernhard und Heinrich Breuer bekommen von ihrem Vater Georg zwei Vorgaben: Der Bildungsgrad darf nicht höher sein, als seiner, dementsprechend gibt’s kein Abi für die Söhne. Außerdem müssen sie raus in die Welt. Statt auf die Schulbank werden die Brüder also in Züge und Flugzeuge gesetzt und lernen so in den 60ern und 70ern die Welt kennen. Praktika-Stationen führen sie nach Kanada, in die USA, die Schweiz und nach Frankreich – ein Netzwerk aus Kellereikunden und Freunden auf der ganzen Welt macht’s möglich. Und während das Thema Weinbau im Gegensatz zu Vertrieb und Handel nicht unbedingt im Fokus stand, bekam Bernhard Breuer durch seine Reisen einen ungewöhnliche Außenblick auf den deutschen Wein und seine Fehler. Die Eigen- und Fremdwahrnehmung der deutschen Winzer klaffte damals wohl weiter auseinander, als der Grand Canyon. Bernhard erkannte den trockenen Terroirriesling als Schlüssel zum Erfolg.
In den 70ern und 80ern, nach der Heimkehr der Brüder in den Betrieb, setzte Bernhard den Wandel Schritt für Schritt um. Aus den 5 Hektar Eigenfläche wurden bis 2004 30 Hektar, aus der Kellerei ein Weingut. Bernhard Breuer setzte Akzente, schaffte es, dem deutschen Riesling nicht nur im eigenen Betrieb, sondern Deutschland- und schließlich weltweit ein neues Gesicht zu verleihen.
Als er 2004 ganz plötzlich verstarb, war seine Tochter Theresa 20 Jahre alt und stand am Ende einer abgebrochenen Ausbildung. Mit viel Mut und Enthusiasmus trat sie in die großen Fußstapfen ihres Vaters, bereit, alles Wissen aus dem Betrieb in sich aufzusaugen. Zunächst unterstützte sie ihr Onkel, der sich zuvor aus dem Betrieb zurückgezogen hatte. Als klar war, dass sie gekommen war, um zu bleiben, widmete er sich wieder der Gastronomie und Hotellerie, während Theresa ihr Studium an der Hochschule Geisenheim absolvierte.
Während die Grundidee des terroirbetonten Rieslings in absoluter Spitzenqualität im Zentrum blieb, hat Theresa die Stilistik des Weinguts weiterentwickelt und ganz klar zu ihrer eigenen gemacht. Heute bewirtschaftet sie rund 40 Hektar Rebfläche, 85 % davon Riesling. Biozertifizierung gibt’s keine, aber neben dem Fair & Green Nachhaltigkeitszertifikat wird seit 2011 grundsätzlich nach organischen Richtlinien gearbeitet.
Eine der Rebflächen, die Theresa ins Weingut geholt hat, ist die Pfaffenwies in Lorch. Als sich 2019 die Möglichkeit bot, den Weinberg zu übernehmen, verliebte sich Theresa in den Ort und die Reben. Im Hang wachsen diese seit bis zu knapp 60 Jahren auf relativ flachgrindigem, steinigem Hunsrückschiefer- und Taunusquarzitboden, großteils in südwestlicher Ausrichtung. Überreife gibt’s bei Theresa nicht, nach Handlese und Selektion wird der Riesling je nach Möglichkeit Ganztraubengepresst und gärt dann im selben großen Holzgebinde, in dem er danach 10 Monate auf der Hefe liegt.
Weinfotos: © Wein für Wein; Foto der Winzerin: © Weingut Georg Breuer
Verkostungsnotiz
Zurückhaltendes Strohgelb. In der Nase starten wir mit zitrischer Frische – wir sind hier ganz klar bei frisch gepresstem Zitronensaft. Für uns ist die Pfaffenwies eine Spätsommerwiese, die Gräser sind schon angetrocknet, Heublumen stehen neben Kamille. Dazu ein wenig dunkle Würzigkeit, das geht für uns Richtung Kardamomkapseln. Ganz spannend: Später gesellt sich da auch eine fast mediterrane Note nach Rosmarin und Thymian dazu. Nach der Gelbfrucht muss man hier eher suchen, irgendwo in der Wiese steht dann aber doch ein Pfirsichbaum, insgesamt ist die Aromatik eher auf der zurückhaltenden Seite. Speichelfluss beginnt ab Nase – als ob der Gaumen schon ganz genau weiß, was gleich kommt. Am Gaumen dominiert ganz klar die Säure – der Wein fährt wie ein Zug ohne Bremsen. Lieben wir. Zuerst füllt der Wein den Gaumen, kitzelt mit einem kleinen bisschen Gerbstoff. Im Kern gibt’s ein bisschen unreifen Weingartenpfirsich und Heublumen, dann breitet sich die Salzzitrone aus und bleibt und bleibt und bleibt. Der Pfaffenwies ist jetzt schon wunderschön zu trinken, wobei wir nicht an seiner Haltbarkeit zweifeln.
9,6/10
Punkte Kady
Das Ding fährt wie ein Zug ohne Bremsen. Und bleibt dabei so schön geradlinig, keine wilden Schlenker, kein langer Anlauf. Einfach Säure Galore, dazu Sommerwiesenfrische. Liebe!
9,6/10
Punkte Michael
Genau so will ich Riesling trinken: Breuer und 2021, das bleibt bei mir garantiert nicht lange im Glas.
Und hier findet ihr den Wein
Die Weine von Theresa Breuer findet ihr zum Beispiel bei Weinfurore oder Lobenbergs. Hier gibt’s auch den Riesling Lorcher Pfaffenwies, Kostenpunkt je nach Jahrgang und Händler zwischen € 60 und € 70.
Das können wir noch empfehlen…
Alle Lagenrieslinge, die ihr aus 2021 noch in die Hände bekommen könnt, sind Gold wert – das Gleiche gilt auch für den Steilhangriesling Terra Montosa. Auch die Estate Rieslinge (quasi der Ortswein) liefern ein top Preis-Leistungsverhältnis.
Podcast-Folge Nr. 162
Unsere Podcast-Folge zu Theresa Breuer könnt ihr überall hören, wo es Podcasts gibt – zum Beispiel direkt hier oder bei Spotify.