William Downie: Pinot Noir Camp Hill 2021

West-Gippsland, Australien
Rebsorte: Pinot Noir

Kategorie: classic – funky – crazy

Direkt nach der High School hat William „Bill“ Downie als Bassist gemeinsam mit seinem Freund und Sänger Danny McDonald die australische Indie-Pop-Band Jericho gegründet. Das war im Jahr 1995, es gab direkt einen Plattenvertrag und die nächsten drei Jahre war die Band auf Tour. Die australische Ostküste wurde rauf- und runterbespielt, der Verdienst war damals vor allem kostenloses Bier. Für die jungen Musiker von Jericho – die Sounds gibt’s übrigens hier noch auf Spotify – war das eine geniale Zeit. Mit 1998 war diese spannende Zeit für Bill Downie wieder vorüber, er verdient sein Geld mit ein paar kleinen Jobs in Aufnahmestudios, merkt aber schnell, dass die Musikszene keine lukrative ist. Für eine Vollzeitanstellung und um ohne große Ausbildung einen Job zu finden, bewirbt sich Bill als Verkäufer in einem klassischen Liquor Store. Neben Spirituosen und Bier wird auch etwas Wein verkauft – zu wenig und zu schlechte Produkte, wie der Eigentümer meint und sich gemeinsam mit Bill einen WSET-ähnlichen Einstiegskurs in Melbourne gönnt. Und von da an gab es nur noch ein Thema in Bills Leben: Wein.

Durch eine Stelle im Weingarten bei Philipp Jones vom führenden Pinot-Weingut Gippslands Bass Philipp hat Bill Downie seine Liebe zum Burgund und zum Pinot entdeckt. Und nachdem Bill jugendlich und interessiert ist, ging er nach einer Zwischenstation bei de Bartoli direkt ins Burgund. Gelernt hat er dort bei Jean-Marie Fourrier und beim Weingut Hubert Lignier, dem er nach dem plötzlichen Tod von Romain Lignier als Winemaker insgesamt drei Jahre verbunden blieb. In der  „Offseason“ ging’s für Bill Downie immer zurück nach Australien, um bei seinem ehemaligen Vollzeit-Arbeitgeber de Bartoli bei der Lese zu helfen. Nach diesen intensiven Reisejahren gab es Projekte für einen amerikanischen Weinriesen und einen indonesischen Investor – und nebenbei wurde das eigene Weingut langsam aufgebaut. Das Ziel: Das Terroir im Gippsland, in seiner Heimat, in seinem Stil zu interpretieren. Natürlich mit „seiner“ Rebsorte, Pinot Noir.

Nach langem, mühsamem Aufbau ist Bill Downie seit 2015 vollständig am eigenen Weingut. Durch die hohen Preise für Arbeit und Land in Australien kurzzeitig nahe der Pleite, produziert Bill Downie heute knapp 80.000 Flaschen pro Jahr. Der Großteil davon beruht auf Traubenzukauf für die Einstiegsweine Gippsland Pinot Noir oder Cathedral, ein Bruchteil der Flaschen ergibt sich aus den Lagenweinen Camp Hill oder Bull Swamp, die Bill aus den eigenen 6,5 Hektar Weinbergen keltert. Die größte Schwierigkeit im regenintensiven und dennoch trockenen Gippsland ist das Thema Ertrag. Knapp 700-800 Liter pro Hektar (!), homöopatische Mengen also, erntet William Downie im Schnitt. Die Weine sind völlig eigenständig, unglaublich komplex und mit einer Frische, die man im Leben nicht nach Australien stellen würde.

Weinfotos: © Wein für Wein; Foto des Winzers: © William Downie

Verkostungsnotiz

Helles Backsteinrot, fast ins leicht Bräunliche gehend, klar erkennbar nicht filtriert. Die Nase öffnet sich sehr vielschichtig: Die oberste Nuance geht für uns ganz klar ins Ledrige, trotz der Jugendlichkeit zeigt die Nase im ersten Moment mehr Tertiäraromen. Schicht für Schicht lassen sich die Aromen freilegen, als nächstes kommt eine dunkle, leicht rauchige und dennoch frische Würze – die für Kady in Richtung Kapern und grüne Oliven geht. Man spürt fast die Salzlake der Kapern. Über der reifen, intensiven Frucht – für uns rotfruchtig, überreife Erdbeeren, etwas reife Kirsche – liegen noch florale Noten. Auch der Holzeinsatz ist subtil spürbar. Ihr merkt schon – das ist eine unglaublich diverse, komplexe Nase. Am Gaumen zeigt der Wein dann seine Jugend: Unglaublich zupackende Säure, die Salzigkeit, die sich schon in der Nase andeutet ist auch am Gaumen spürbar. Die Fruchtnuancen sind weit verhaltener und frischer als in der Nase, hier sind wir eher bei Hagebutte oder sogar Hagebutten-Tee. Sehr hellfruchtig und floral. Die Tanninstruktur wirkt insgesamt noch jung und rustikal, diese dunkle, fast eisenhaltig-anmutende Würze sorgt für zusätzlichen Zug. Wahnsinnig spannender Wein, den man nie und nimmer nach Australien setzen würde.

9,2/10

Punkte Kady

Unglaublich spannend, wie viele Schichten sich da alleine in der Nase auftun. Australien? Nie im Leben. Großes Kino!

9,3/10

Punkte Michael

Faszinierender Wein, der unglaublich komplex daherkommt und für sich alleine einen Abend füllt. Nicht ganz einfach zu verstehen, aber großartig!

Und hier findet ihr den Wein
Die Weine von William Downie gibt’s in Europa bei Hendrik Thoma von Wein am Limit, der Pinot Noir Camp Hill 2021 liegt bei 69€, auch den 2022er Jahrgang gibt’s bei WaL bereits.

Das können wir noch empfehlen…
Neben dem Camp Hill ist der Bull Swamp das absolute Wein-Gegenstück: Die selben roten Vulkanböden, aber eine weit tiefgründigere, niedriger gelegene Lage. Bull Swamp immer dunkelfruchtiger, erdiger und saftiger gegenüber dem kargen, leichtfüßig und rotfruchtigen Camp Hill. Die Einstiegsweine wie Cathedral sind natürlich um einiges weniger komplex als die Lagenweine, zeigen aber dennoch die Handschrift Downies gepaart mit saftiger Trinkfreude.

Podcast-Folge Nr. 155
Unsere Podcast-Folge zu William Downie könnt ihr überall hören, wo es Podcasts gibt – zum Beispiel direkt hier oder bei Spotify.