Moritz Kissinger: Chardonnay 2021
Uelversheim, Rheinhessen
Rebsorte: Chardonnay
Kategorie: classic – funky – crazy
What the hype? Der Trubel rund um die Weine von Moritz Kissinger ist riesig, immer wieder liest man von Rising Star und die Top-Weine sind eigentlich nie verfügbar. Aber was ist dran an dem Hype? Wir sind grundsätzlich keine Fans davon, junge Winzer:innen in den Himmel zu schreiben – und Moritz hat in Wirklichkeit genauso wenig Interesse daran. Hinter dem Hype steht ein Winzer, der sein Handwerk für sein Alter sicherlich enorm gut versteht, eine Menge Erfahrung mitbringt und ist sich dessen bewusst, was diese Euphorie rund um ihn bedeutet: Einen gewissen Startvorteil, den er als Privileg sieht und jetzt natürlich Druck, weiter abzuliefern. Aber das macht Moritz Kissinger auch. Und wie.
Aber der Reihe nach: Moritz‘ Vater betreibt einen klassischen Betrieb in Uelversheim in Rheinhessen, er baut sich einen guten Privatkundenstamm in seinem Segment auf und in den Ferienmonaten arbeitet auch Moritz am Betrieb mit. So richtig übergesprungen ist der Funke für Weinbau damals noch nicht, Moritz interessiert sich für Landwirtschaft, studiert in Stuttgart Agrarwissenschaften und beginnt erst mit Anfang 20 dem Wein so richtig Aufmerksamkeit zu schenken. Er entscheidet sich mit 21 für eine Lehre zum Winzer bei Wagner-Stempel und später beim Weingut Gutzler. In dieser Zeit lernt er gerade bei seiner ersten Ausbildungsstation, wie wichtig das blinde verkosten unterschiedlichster Weine der Welt ist. Spätestens hier wird der Wein-Nerd in Moritz Kissinger geweckt. Durch die paar Jahre mehr Erfahrung im Vergleich zu Kolleg:innen, die mit 15/16 ihre Ausbildung beginnen, plant Moritz seine weiteren Stationen sehr überlegt. Möglichst viel Erfahrung sammeln ist die Devise, es folgen Praktika bei Raumland, Eva Fricke, Gusbourne, Cedric Moussé und bei den Brand Bros. Zudem studiert Moritz in Geisenheim – oder wie er sagt, ein bisschen Verkosten, viel Praktikum und ein wenig Studieren.
Als er 2018 seine ersten eigenen Weine aus einer alten Chardonnay-Anlage des väterlichen Weinguts keltert, hat Moritz‘ Vater in weiser Voraussicht bereits seit zwei Jahren auf biologische Bewirtschaftung umgestellt. Auch das 12 Hektar große, wirtschaftlich stabile Weingut im Hintergrund lässt Moritz ordentlich Freiraum in seinem Tun. Die überall tradierte Geschichte von „Moritz Kissinger übernimmt altes Weingut und führt es mit seiner Zauberhand zum kometenhaften Aufstieg“ ist also völlig überzogen – und würde Moritz so auch nie erzählen. Die Privilegien sind dem jungen Winzer aus Rheinhessen äußerst bewusst. Der kometenhafte Aufstieg selbst beginnt dann mit dem Chardonnay 2018, den Moritz an Geisenheimer Kolleg:innen verkauft, der Großteil der paar hundert Flaschen kommt dann zu einem befreundeten Händler. Und dann war Moritz bei seinem Studienkollegen Felix Keller zu Gast. Keller – ja genau, der Keller. Sohn von Klaus Peter Keller, dem wohl bekanntesten Winzer Deutschlands. Und als KPK das Erstlingswein von Moritz verkostet, ist er begeistert. So begeistert, dass er ein Foto von Kissinger’s Chardonnay neben einem Rousseau aus 2005 auf Instagram postet. Mit den Worten „Weiß nicht, was ich gerade lieber trinke“ und einigen Worten zu diesem neuen Namen in Rheinhessen. Über Nacht waren die knapp 800 Flaschen weg, der Hype war geboren. Und dann musste Moritz liefern. Und das tut er, in unfassbarer Qualität und mit einem sehr reflektierten Bewusstsein.
Weinfotos: © Wein für Wein; Foto der Winzerin: © Moritz Kissinger
Verkostungsnotiz
Intensives Stroh- bis Goldgelb, leicht grüne Reflexe, merkbar unfiltriert. Unbedingt dekantieren, dieser Wein benötigt Zeit, wir haben den Wein 8 Stunden vor Aufnahme geöffnet: Die Nase beginnt mit einer wunderschönen Reduktion, leichtes, salziges Popcorn – nicht süß, nicht buttrig, sehr fein. Etwas Senfkörner, leichte Dillnoten und eine kräutrige Würze kommt dazu. Auch eine Schicht an kalkigem Steinmehl liegt noch dazwischen, erst dann kommt eine feine, doch reife gelbfruchtige Note in Richtung gelbem Apfel und etwas gelber Birne durch. Dazu kommt auch etwas in Richtung Mango und Ananas, eine gewisse unreife, zitrische Exotik. Wahnsinn, was für eine Nase! Am Gaumen setzt sich das Bild wunderbar fort. Unglaublich präzise und harmonisch, die Reduktionsnote ist wieder spürbar. Sehr fein, absolut nicht breit sondern sehr elegant. Der Wein weiß, was er will. Wir sind wieder bei der Kräuterwürze, reduktiven Noten und die gelbe, leicht exotische Frucht ist spürbar, aber nicht das Hauptthema. Auch die Säure ist wunderbar eingebunden und sorgt für Trinkfluss, perfekte Balance! Ganz, ganz großartiger Wein.
9,6+/10
Punkte Kady
Präzise, unglaublich balanciert. Was für ein Wein. Damit kann man Stunden verbringen, großes Kino!
9,7+/10
Punkte Michael
Das ist schon absolut fantastisch. Diese Harmonie, die wunderschöne Reduktion und dazu der Trinkfluss. Mega und viel zu jung.
Und hier findet ihr den Wein
Die Weine von Moritz Kissinger findet ihr in Österreich bei Zankls Weine, in Deutschland bei Lobenbergs oder Weinfurore. Der Chardonnay ist der absolut vergriffenste Wein von Moritz, entsprechend ist das kaum mehr verfügbar. Kostenpunkt dafür liegt bei knapp 45€.
Das können wir noch empfehlen…
Die Weine von Moritz zeichnet allesamt eines aus: Unendlicher Trinkfluss. Wir sind ganz große Fans vom Einstieg in Weiß, dem Null Ohm Weiß – 0 Ohm, also null Widerstand, ergo Trinkfluss auf maximal. Dabei aber genau mit dem Ticken Komplexität ausgestattet, dass man darüber sinnieren kann, während die Flasche schon wieder dem Ende zugeht. Auch der Deutsche Winzersekt Nr.2 – also der aktuellste Schaumwein von Moritz – ist ein wunderschöner Vertreter von deutschem Sekt höchster Güte, für knapp 26€ genauso wie der Null Ohm (18€) ein absolutes Schnäppchen.
Podcast-Folge Nr. 139
Unsere Podcast-Folge zu Moritz Kissinger könnt ihr überall hören, wo es Podcasts gibt – zum Beispiel direkt hier oder bei Spotify.