Ökologischer Land- und Weinbau Kraemer: Silvaner Alte Reben 2019

Auernhofen, Franken
Rebsorte: Silvaner

Kategorie: classic – funky – crazy

Eigentlich wollte Stephan Krämer nicht so richtig Landwirt oder Winzer werden. Als Jugendlicher war er professionell im ehemals olympischen „Modernen Fünfkampf“ unterwegs. Wenn man sich sein heutige Betätigungsfeld ansieht, wundert einen das absolut nicht: Mit über 90 Hektar Landwirtschaft, 4 Hektar Terrassenweinbau, Ferienwohnungen, einer Mutterkuhherde und drei Kids wirkt es auch heute noch nach einem interdisziplinärem Spiel. Nach einer landwirtschaftlichen Ausbildung und dem Zivildienst entschied er sich doch dazu, die Ausbildung zum Winzer zu machen. Sein Vater hatte damals den Gemischtbetrieb mit einem Hektar Wein in den späten 80ern auf biologisch umgestellt – gerade in Franken ein absolutes Novum. Und diesen Gedanken der biologischen Bewirtschaftung, den hatte auch Stephan schon aufgeschnappt. Nach Praktika beim Weingut Roth in Wiesenbronn sowie bei Wittmann in Rheinhessen war dieser Gedanke bestärkt, mit dem Jahr 2001 ist Stephan zuhause eingestiegen und hat langsam alle Bereich übernommen.

Bis er wirklich Wein macht dauert es allerdings bis 2012/2013. Davor waren es laut eigener Aussage nur „getränketechnologische Erzeugnisse“. Mit viel Humor nimmt Stephan Krämer den langen Weg, den er von der Ausbildung bis zu seinem heutigen Zugangs zum Weinmachen gehen musste oder viel mehr gehen wollte. Erste Besuche bei Heymann-Löwenstein und Peter Jakob Kühn Anfang der 2000er brachten Inspiration für das Thema Spontangärung, schwierige Jahrgänge wie 2003 führten zum Umdenken. Weg vom rezepthaften Weinmachen, dass im Franken der 90er gelehrt wurde. Hin zu möglichst wenig Eingriff im Weingarten als auch im Keller. 2013 beginnt Stephan erstmals ernsthaft mit Holz zu spielen, 2015 kommen erste Versuche mit Maischegärung. Heute widmet er sich vor allem der wichtigsten Terroirrebsorte Frankens, dem Silvaner, in all seinen Ausprägungen. Aber auch ein bisschen Riesling, Meunier, Adelfränkisch oder Chenin Blanc darf es sein, sonst wird es ja langweilig.

Beim Silvaner wird dann – wie beim alte Reben zum Beispiel – mit Anteilen an Maischegärung, Direktpressung und intrazellulärer Gärung gespielt. Die Weine bekommen unglaublich lange Zeit, denn das brauchen sie auch. Zuerst im Fass, dann in der Flasche und optimalerweise auch nochmal in der Karaffe vor dem Genuss. Wahnsinnig komplex, was Stephan Krämer hier zaubert. Unglaublich eigenständig, sicherlich für viele nicht ganz greifbar. Und das weiß er auch, denn er macht nach eigener Aussage „Weine für Winzer:innen und Freaks“. Das mag stimmen, dennoch wird es schwer, nicht zum Freak zu werden, wenn man sich einmal die Zeit genommen und sich auf einen seiner Weine wirklich eingelassen hat.

Weinfotos: © Wein für Wein; Foto von Winzer/Hof: © Land- und Weinbau Kraemer

Verkostungsnotiz
Intensives, leicht trübes Ockergelb im Glas. In der Nase sehr offen und aromatisch, wenn man dem Wein die benötigte Zeit gibt – wir hatten die Flasche einen Tag lang offen, bevor wir verkostet haben. Florale, fast parfümierte Noten, dazu eine feine Kräuterwürze, leicht zitrisch-exotische Noten, teils ein bisschen Richtung frische Mango. Auch etwas Kernobst, für uns ist es Quitte, kommt dazu. Die Nase ist insgesamt sehr komplex und ständig im Wandel, unbedingt ins große Glas und beim Genießen Zeit lassen, das ist ein Wein zum immer wieder reinriechen. Am Gaumen ist das dann dicht, saftig und unendlich lang. Feine Phenolik, feiner, leicht körniger aber sehr schön integrierter Gerbstoff, wunderschöner Säurebogen. Das alles sorgt für unendlich Trinkfluss, im langen Abgang bleibt zu Beginn die Saftigkeit der Mandarine (mit Temperatur gewinnt die Quitte dieses Duell) gepaart mit Zitronenmelisse, mineralisch-anmutender Würze und dem feinen Gerbstoff bestehen. Das ist sicherlich herausfordernd, aber bist du wahnsinnig, das ist schon großartig!

9,3/10

Punkte Kady

Extrem komplex und wahnsinnig spannend. Umso mehr, wenn man bedenkt, dass das Silvaner ist. Daugt mir schon sehr!

9,4-9,5/10

Punkte Michael

Großes Kino, was Stephan Kraemer da aus Silvaner rausholt. So eine Eigenständigkeit, wie man sie selten erlebt.

Und hier findet ihr den Wein
Die Weine vom ökologischen Land- und Weinbau Kraemer findet ihr bei der Salopp Vinothek, Weinhalle oder Vinocentral. Der Silvaner Alte Reben 2019 kostet zwischen 18 und 19€ und ist damit ein unglaubliches Preis-Leistungs-Wunder.

Das können wir noch empfehlen…
Kostet euch durch die Silvaner von Stephan Kraemer, probiert Johanniter, Meunier oder Müller-Thurgau. Die Weine sind unglaublich eigenständig, wenn man sich darauf einlässt können sie einen ganz tief berühren. Verkostungsbefehl!

Podcast-Folge Nr. 134
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