Jurtschitsch: Riesling Quelle 2019

Langenlois, Kamptal, Niederösterreich
Rebsorte: Riesling

Kategorie: classic – funky – crazy

Was Alwin Jurtschitsch während seiner Jugend erlebt, das könnte Bücher füllen. Das auf einem 700 Jahre alten Klosterkeller basierende Weingut der Eltern im kamptaler Langenlois ist während seiner Kindheit nach zwei Generationen der Teilung wieder vereint. Insgesamt 70 Hektar Rebflächen bewirtschaften die Eltern und Alwin bekommt den Stress mit, der jährlich mit der Ernte ansteht – Winzer ist also zunächst nicht der Traumberuf. Langenlois wird ihm schnell zu kleinkariert, einen Tag nach der Matura zieht er also raus in die Welt. Nach einem Semester in Wien verwirft er das Studium und geht so weit weg von Österreich, wie nur irgendwie möglich. Die Tickets nach Neuseeland finanzieren ihm die Eltern, dafür soll Alwin dort an einem Weingut arbeiten. Mit einem Touristenvisum war dieses Kriterium zunächst schwer zu erfüllen, schließlich beginnt Alwin seine Winzerkarriere aber doch als illegaler Gastarbeiter in Neuseeland. Dort lernt er eine Freiheit und Lässigkeit kennen, die er zunächst überhaupt nicht mit Wein in Verbindung brachte. „So soll es weiter gehen“, denkt er sich und legt sein nächstes Ziel fest: Australien!

In Australien angekommen – diesmal sogar mit dem richtigen Visum – hat er noch einen Monat Zeit, bis sein Praktikum im Barossa Valley beginnt. Also reist er quer durch den Kontinent – zunächst mit dem Zug, bald steigt er auf das Autostoppen um – und landet bei Deutschen, die an der Ostküste auf einer biodynamischen Farm arbeiten. Er schließt sich ihnen an, lebt mit ihnen in der Hippiekommune und lernt erstmals das Konzept Biodynamie kennen. Hummusaufbau, Kuhscheiße und Bodenqualität, davon hatte zu Hause noch niemand gesprochen. Alwin speichert diese Zugänge im Hinterkopf ab, als er schließlich zu seinem Weingutspraktikum aufbricht und im Barossa Valley „dicke, schwere Shiraz“ macht, genau wie sie damals der Hype waren. Dort verdient er so gut, dass er sich schließlich ein Auto leisten kann und 20.000 km durch Australien fährt. Als das Visum ausläuft, verkauft er das Auto nicht, um einen Grund zu haben, zurückzukehren. Das tut er auch, allerdings gibt es ihm nicht mehr den Kick, den es zuvor hatte. Neue Erfahrungen müssen also her.

2003 macht er die erste Ernte am Weingut der Eltern in Langenlois mit. Die Rotweinexperimente wurden vielleicht nicht ganz so wie jene in Australien, dafür lernte Alwin damals die Praktikantin der Eltern kennen: Stefanie. Die Winzerstochter aus Rheinhessen war in Österreich gelandet um vor dem Weinbaustudium in Geisenheim Erfahrung zu sammeln. Stefanie und Alwin verstanden sich auf Anhieb gut, und so entstand ein Gspusi – allerdings mit Ablaufdatum, denn für Stefanie ging es zurück nach Deutschland während Alwin sich in das nächste große Abenteuer stürzte: Südamerika. Dort lernte er im Regenwald Ecuadors die Permakultur kennen – wieder ein landwirtschaftlicher Ansatz, der ihn später beeinflussen sollte. Aus Machu Picchu schickte er eine Postkarte an Stefanie, eine Ernte in Südamerika ging sich jedoch nicht mehr aus – die Bedingung seiner Eltern für die Finanzierung der Reise hatte er also nicht erfüllt. Zurück in Österreich setzten sie ihm ein Ultimatum: Er sollte entweder ins Familienweingut einsteigen, oder aber „etwas Gescheites“ Studieren. Ersteres kam für Alwin nicht in Frage, also packte er seine Sachen in ein Auto und fuhr nach Geisenheim zum Weinbaustudium. Dort studierte er gemeinsam mit so einigen bekannten Namen – von Flo Busch bis Theresa Breuer – und war auch mit Stefanie wieder vereint.

Während er aus der neuen Welt neben neuen Ideen für die Landwirtschaft eine ordentliche Portion Lässigkeit und Leichtigkeit mitgebracht hatte, lernte er in Deutschland Konzepte wie Terroir und Mineralität erst so richtig kennen. Nicht nur die Uni und viele Diskussionen mit den Professoren prägten ihn, auch die Blindverkostungen und Big Bottle Parties in der WG waren ein wichtiger Lernfaktor. Auch die Nähe zu Frankreich war von Vorteil – nach Kurzbesuchen im Burgund wussten Stefanie und Alwin rasch: Fragen reicht nicht, wenn in Frankreich etwas lernen wollen, müssen wir dort arbeiten. Es verschlug sie ins Roussillon zu Tom Lubbe, der seinen ersten Praktikant:innen viel beibrachte – Ideen und Konzepte, von denen Stefanie und Alwin auch heute noch zehren. Allen voran: „Was kann man aus diesem Ort, diesem Boden herausholen, was macht ihn einzigartig?

Vor dem Uniabschluss in Geisenheim ging es nochmals zurück nach Frankreich – diesmal mit einer ganz speziellen Frage im Hinterkopf: „Geht Bio nur auf kleiner Fläche, oder klappt das auch auf einem großen Weingut?“ Also übernahm Alwin nicht nur bei Chapoutier die Ernte geschmissen und erstmals so richtig Verantwortung, er arbeitete parallel auch bei einem 2-Hektar-Weingut. Sein Fazit: Bio kann überall funktionieren. Als das Studium in Geisenheim sich dann dem Ende neigte, wollte Alwin eigentlich den Master in Montpellier den Master dranhängen. Mit der Ernte 2006 baten seine Eltern ihn allerdings, heimzukommen und sein Wunschprojekt der Bioumstellung des Familienweinguts selbst umzusetzen. Mit unendlich vielen Erfahrungen im Gepäck zog Alwin 2007 endgültig zurück nach Langenlois. „Ein Sprung ins kalte Wasser durch eine Eisdecke“, nannte er das Heimkommen. So viele Ideen, so viel Begeisterung, aber zunächst wenig Raum, um das wirklich umzusetzen. Zuerst übernahm er die Tätigkeiten seines Vaters, der sich auf Weinbau und den Weingarten spezialisiert hatte. Kellermeister war damals Alwins Onkel.

Für Stefanie war es zunächst nicht am Tisch, nach Österreich zu ziehen, schließlich war sie eigentlich die prädestinierte Nachfolgern am Weingut Gunderloch. Sie zog nach dem Uniabschluss also für ihre erste Ernte am väterlichen Weingut nach Rheinhessen. Zwei Jahre lang haderten Alwin und Stefanie damit, wie es nun weitergehen sollte. „Nur wenn ich die Weine im Keller machen kann“ lautete Stefanies Bedingung für ihren Umzug nach Österreich schließlich. Als sie 2009 in Österreich ankam, arbeitete sie zunächst noch mit Alwins Onkel zusammen im Keller. Viele Kompromisslösungen entstanden, im Keller stand das Holzfass mit spontanvergorenem Wein neben dem Stahltank mit Reinzuchthefe. Stefanie und Alwin ließen sich jedoch nicht beirren, übernahmen sukzessive mehr Verantwortung, stellten das Weingut auf biologische Bewirtschaftung um und tätigten im Weinkeller so wenige Eingriffe wie nur möglich. 2011 ernteten sie erstmals drei Wochen früher als alle anderen im Kamptal. Sie hatten sich auf Tom Lubbes Ideen zur Ernte zurück besonnen und stellten den Erntezeitpunkt mit der Verkostung von Trauben im Weingarten statt dem Refraktometer fest. Aus all den kumulierten Erfahrungen der beiden hatte sich über die Jahre eine Einstellung, eine Idee entwickelt, mit einer Frage im Zentrum: „Was macht das Kamptal einzigartig?“

„Low Intervention mit Herkunft“ nennt Alwin Jurtschitsch den heutigen Grundsatz des Weinguts. Der Riesling Quelle 2019 schlägt in genau diese Kerbe. Er stammt von einer kleinen Parzelle an der Ostseite des Heiligenstein, der anders ist, als der Rest der Zöbinger Riede. In alten Aufzeichnungen haben Alwin und Stefanie nachgelesen, dass dort eine kleine Quelle entspringt, die den Weingarten maßgeblich prägt. Die Vegetation ist anders, es wachsen wasserliebende Pflanzen wie Schilf, die es sonst am Heiligenstein nicht gibt. Auch in trockenen, warmen Jahren ist die Wasserversorgung dort besser, außerdem trägt das Wasser mehr von der Mineralität aus dem Permgestein hoch an die Oberfläche. Dieses Eck der Riede Zöbing wird also händisch selektioniert, genau so wie’s der Tom Lubbe auch machen würde. Nach einer kurzen Maischestandzeit wird der Riesling spontan vergoren und reift danach 18 Monate auf der Vollhefe in einem gebrauchten Holzfass. Ungeschönt und unfiltriert abgefüllt wird er natürlich auch.

Weinfotos: © Wein für Wein

Verkostungsnotiz
Im Glas ein helles Goldgelb, die ersten Aromen kommen uns schon beim Schwenken aus dem Glas entgegen. Gelbe Birne vereint sich mit Apfel, dazu kommen verschiedene Gewürze, allen voran Nelke und Anis. Insgesamt wirkt die Nase trotz ihrer Expressivität frisch und klar, dazu tragen bestimmt auch Anklänge von Zitronenzeste sowie eine fast an Steinmehl erinnernde Mineralität bei. Am Gaumen ist der Wein druckvoll, zunächst gaumenfüllend, dann schaltet sich die Säure ein und zieht sich bis in den Abgang durch. Auch hier haben wir Kernobstaromen, wobei wir eher bei frisch geschältem Apfel und Quitte landen, im Abgang dann Zitrone, ein kleinwenig Salz, dazwischen immer wieder feine Würzigkeit. Insgesamt ist der Wein ein fein balanciertes Gesamtkunstwerk – kein Wunder, bei den Winzer:innen dahinter!

9,6/10

Punkte Kady

Jurtschitsch-Weine sind immer eine Bank, dieser hier legt aber mit seiner perfekten Balance aus Extrakt und Feingliedrigkeit einfach nochmal einen drauf. Wunderschön!

9,6/10

Punkte Michael

Natural-Riesling-Stilistik par excellence! Was für ein wunderschöner, glockenklarer Wein, der am Gaumen mit feiner Gerbstoffstruktur, Druck und Säurezug komplett überzeugt.

Und hier findet ihr den Wein
Den Riesling Quelle 2019 findet ihr aktuell bei Lobenbergs oder Weinfurore, Kostenpunkt gut € 40. Ansonsten gibt’s z.B. auch bei Wein & Co eine große Auswahl an Jurtschitsch-Weinen.

Das können wir noch empfehlen…
Alles. Die Jurtschitsch-Weine sind eine Klasse für sich und jeder einzelne Wein, den wir bis jetzt verkostet haben, hat uns beeindruckt. Das gilt für alles vom Einstieg über die Schaumweine bis hin zu den Lagenweinen – und da meinen wir sowohl den Grünen Veltliner als auch den Riesling!

Podcast-Folge Nr. 110
Unsere Podcast-Folge zum Riesling Quelle 2019 von Alwin und Stefanie Jurtschitsch könnt ihr überall hören, wo es Podcasts gibt – zum Beispiel direkt hier oder bei Spotify.