Joško Gravner: Ribolla Gialla 2014

Oslavia, Friaul, Italien
Rebsorte: Ribolla Gialla

Kategorie: classic – funky – crazy

Werden die wichtigsten Vorreiter der Orange Wine bzw. auch der Naturweinbewegung aufgezählt, so findet man den Namen Joško Gravner oft an erster Stelle. Er stammt aus dem winzigen Grenzdörfchen Oslavia im italienischen Friaul, direkt an der slowenischen Grenze. Geboren 1952 in eine Weinbauern-Familie mit slowenischen Wurzeln begann er schon früh, in den rund vier Hektar Rebfläche mitzuhelfen und besuchte die Weinbauschule. Dort wurden ihm die modernsten Technologien der Weinherstellung vermittelt, ein starker Kontrast dazu, wie zuhause im Rahmen des gemischlandwirtschaftlichen Betriebs Wein gemacht wurde.

Damals, in den 60ern und 70ern, lag der Fokus auf Quantität statt Qualität, es wurde viel Wein produziert, verkauft wurde in 50-Liter-Glasbalons an die umliegende Gastronomie. In den 70ern gab es die ersten entscheidenden Veränderungen am Betrieb, von der Flaschenabfüllung über das Auspflanzen internationaler Reben und den verstärkten Einsatz aktueller Technologien in der Weinbereitung – angestoßen durch den jungen Joško Gravner. Seine Weine konnten sich nun von der Masse abheben, Kritiker lobten ihn für seine Merlots, Sauvignon Blancs und Chardonnays.

In den 80ern übernahm und vergrößerte und technologisierte er den Familienbetrieb, bis zu einem einschneidenden Erlebnis im Jahr 1987. Er reiste ins „gelobte Land“ Kalifornien, um dort die zu dieser Zeit hochgelobten Weingüter zu besuchen. Innerhalb kürzester Zeit verkostete er an die 1.000 Weine und merkte ernüchtert, dass die Winzer:innen gerne von ihrem jeweiligen speziellen und unverfälschten Charakterweinen sprachen, der „Charakter“ des Bodens jedoch in keinem der Weine zu spüren war. Nach all den technologischen Hilfsmitteln und Zusätzen blieb ein einheitliches Bild übrig. Als Joško zurück kehrte war ihm klar, dass er etwas ändern musste, um nicht Weine zu produzieren, die bloß eine Kopie der Kopie waren.

Zuvor ganz dem technologischen Fortschritt zugewandt, folgte nun eine Kehrtwende. Joško blickte zurück in die Vergangenheit, zurück auf die ursprünglichen Methoden der Weinbereitung und begann, seine Eingriffe im Keller sowie auch im Weingarten über die nächsten Jahre sukzessive zu reduzieren. 1996 sollte ein weiteres Schicksalsjahr werden. Im Juni dieses Jahres gab es zwei direkt aufeinander folgende Hagelstürme, die dafür sorgten, dass 95 % der Ernte ausfielen. Anstatt das Jahr für sich abzuschreiben, entschied er, an den übrig gebliebenen Trauben Versuche zu wagen – zum einen die Maischevergärung, zum anderen die Spontanvergärung. Der direkte Vergleich überzeugte ihn. Auch die erste Amphore kam in diesem Jahr an den Betrieb, wurde allerdings erst 1997 erstmals eingesetzt. Bald war klar, dass sich insbesondere die autochthone Rebsorte Ribolla Gialla für die Maischevergärung bestens eignete. Die Kombination war für Joško Gravner perfekt: Eine autochthone Rebsorte, die die Feinheiten des Bodens schön heraushebt, weil sie selbst eher zurückhaltend ist, in ihrem Charakter verstärkt durch die Maischevergärung und unterstützt vom Ausbau in der Amphore.

Fasziniert von der georgischen Tradition der Weinbereitung in der Amphore reiste Joško Anfang der 2000er mehrfach nach Georgien, zu diesem Zeitpunkt gebeutelt vom Bürgerkrieg, um mehr zu lernen und die besten Amphoren für sich zu sichern. Die Herstellung der traditionellen georgischen Amphoren ist zeit- und arbeitsintensiv, der Transport schwierig. Immer wieder hatte Joško Gravner mit Rückschlägen in Form von Scherben zu kämpfen. Abbringen lies er sich von seinen Vorhaben jedoch nicht. Heute gibt es am Weingut nur noch einen Wein: den in der Amphore vergorenen Ribolla Gialla. Nach 6 Monaten in der Amphore werden die Trauben abgepresst, verbringen dann weitere 6 Monate in der Amphore, bevor sie 6 Jahre lang im großen Holz lagern. In den Verkauf gelangen die Weine in der Regel erst nach 8 Jahren, der aktuellste Jahrgang ist 2014.

Fotos: © Wein für Wein

Verkostungsnotiz
Intensiver Bernsteinton. Die Nase ist vielschichtig und subtil, immer wieder tauchen neue Nuancen auf. Zu kandierten Orangenzesten, Mandarine und getrockneter Steinfrucht gesellen sich Akazienhonig und die leicht vegetabilen Noten einer frisch geschälten Banane. Ebenso komplex wie die Nase kommt auch der Gaumen daher, oxidative Noten sind spürbar, dennoch wirkt der Wein frisch und klar. Die Säure liegt im mittleren Bereich, Körper und Gerbstoffgerüst sind spürbar, trotz des langen Ausbaus noch immer mit Ecken und Kanten ausgestattet, die Lagerfähigkeit lässt grüßen. Zu kandierten Zitrusfrüchten und reifem Pfirsich kommt insbesondere am Gaumen noch eine pfeffrige Note. Insgesamt ein eleganter, vielschichtiger Wein, der den kalkhaltigen Ponca-Boden, auf dem die Reben wachsen, präzise ins Glas bringt und spürbar macht.

9,4/10

Punkte Kady

Dieser Wein widerlegt, dass Orange Wine kein Herkunfstsbotschafter sein kann. Er spiegelt das Ponca-Terroir Oslavias wunderschön wieder und ist trotz seines Alters unendlich frisch.

9,3/10

Punkte Michael

Gefällt mir schon sehr gut, aktuell würde ich ihn gerne als Speisenbegleiter eingesetzt sehen, z.B. zu deftigem Schweinsbraten, in 10-15 Jahren kommt er dann als Solist wahrscheinlich noch besser zur Geltung.

Und hier findet ihr den Wein
Die Weine von Joško Gravner findet ihr bei WEIN & CO und Lobenbergs. Der Wein des Godfather of Orange Wine hat seinen Preis, rund € 90 müsst ihr für den Ribolla Gialla 2014 hinlegen.

Das können wir noch empfehlen…
Hier haben wir einen echten Sonderfall – es gibt nämlich zumindest in näherer Zukunft keine weiteren Weine abgesehen vom Ribolla Gialla. Natürlich können wir euch empfehlen, euch einen gereiften Pignolo von Joško Gravner zu holen, Fakt ist allerdings, dass die letzten Jahrgänge aufgrund der Knappheit und des Preises kaum zu erwerben waren und sind.

Podcast-Folge Nr. 92
Unsere Podcast-Folge zum Ribolla Gialla 2014 von Joško Gravner könnt ihr überall hören, wo es Podcasts gibt – zum Beispiel direkt hier oder bei Spotify.