Maria und Sepp Muster: Erde 2018

Leutschach, Südsteiermark, Steiermark
Rebsorte: Sauvignon Blanc & Morillon

Kategorie: classic – funky – crazy

Im Jahr 1998 stand das Weingut Muster in der Südsteiermark an einem Scheideweg: Der Vater von Sepp Muster hatte um 1978 aus Leidenschaft einen alten Hof inklusive Weingärten in schlechtem Zustand gekauft, renoviert und rund 10 Hektar neu ausgepflanzt. Das Ergebnis war Landwein im Doppler-Format, Verkauf in der Umgebung vor allem über die Bundesländergrenze in Richtung Kärnten. Sepp Muster war also schon als Kind immer im Weingarten unterwegs, doch ging es nie um Qualität. Das Aufkommen von Maschinen in Weingarten und Weinkeller sowie der Einsatz von Reinzuchthefen, Filtration und Schönung waren ihm immer schon suspekt – aber in den 80er/90er Jahren führte daran in Österreich kein Weg vorbei. Im Jahr 1998 standen Maria und Sepp Muster dann vor der Entscheidung, ob sie das Weingut übernehmen sollten. Führend mitgearbeitet haben die beiden jetzt schon einige Jahre, doch was sie wirklich mit ihrem (beruflichen) Leben anfangen sollten, war vollkommen offen. Klar war nur eines: So kann es nicht weitergehen. Also mussten sie weg. Weit weg. Und da damals noch keine Kinder da waren, brachen sie sich kurzerhand zu einer Weltreise auf. Das ambitionierte Ziel: Den Sinn ihres Lebens zu finden.

Als sie dann in Indien angekommen ein Plakat für einen biodynamischen Landwirtschaftskurs von einem gewissen Peter Procter, der Neuseeländer galt als eine der Koryphäen der biodynamischen Agrarwirtschaft, meldeten sich Maria und Sepp Muster einfach mal für den dreiwöchigen (!) Kurs an. „Wir hatten ja nichts geplant und da waren noch zwei Plätze frei“, so Sepp Muster dazu. Mit neuer Energie ging es retour, der Weg war klar: Das Weingut wurde 2000 übernommen, ab 2003 dann komplett auf biodynamische Bewirtschaftung umgestellt. Die Kunden haben sich natürlich vollkommen ausgetauscht, da sich auch das Endprodukt um 180 Grad verändert hat. Lebendige Weine, keinerlei Eingriffe in den Lauf der Natur, kein „Wein machen“ sondern „Wein werden lassen“. Gemeinsam mit der Schmecke das Leben-Gruppe rund um Werlitsch, Andreas und Elisabeth Tscheppe, Alice und Roland Tauss sowie das Weingut Strohmaier haben Maria und Sepp Muster die Naturweinszene in der Südsteiermark aufgebaut und dienten vielen in ganz Österreich als Vorbilder – auch wenn das die Bescheidenheit der beiden niemals zugeben würde.

Die Erde ist das Flaggschiff schlechthin: Mit Sicherheit der „verrückteste“ Wein, jedenfalls der lebendigste. Maischegärung, 12 Monate Kontakt mit den Schalen und einem Teil der Kämme, selbstverständlich unfiltriert, ungeschönt. In dieser Form gibt es die Cuvée aus Sauvignon Blanc und Morillon auch schon seit 2005 – hat also bereits Tradition, wenn man so will. Unglaublich spannender, komplexer Wein der jedes Jahr in seinem ganz eigenen Facettenreichtum daher kommt. Probieren!

Weinfotos: © Wein für Wein; Foto der Winzer: © Sepp und Maria Muster

Verkostungsnotiz
Intensive Bernsteinfarbe, mehr bräunlich als orange, mittlere Viskosität. Der Wein braucht auf jeden Fall ein großes Glas und ruhig etwas Temperatur, rund 14° sind optimal. Direkt nach dem Öffnen zeigt sich das sehr intensive, aromatische Bukett wie folgt: Kräuternoten wie Johanniskraut treffen auf Orangen-/Mandarinenzeste gepaart mit warmen, exotischen Fruchtnoten in Richtung überreife Banane und Maracuja. Am Gaumen ist die Fruchtkomponente nochmals intensiver – uns erinnert das an eine überreife Banane mit etwas Honigsüße, die Kräuter- und Gewürznoten setzen sich fort und bleiben im mittellangen Abgang gemeinsam mit den zestigen Noten bestehen. Mittlerer Körper mit ausgewogener Säure und präsenter Tanninstruktur runden diesen Wein wunderschön ab.

9,4/10

Punkte Kady

Gefällt mir schon wirklich sehr gut. Ein wunderschöner „Sortenvertreter“ dieser Orange Wine-Stilistik mit klar erkennbarem Sauvignon Blanc-Anteil.

9,3/10

Punkte Michael

Extrem spannend, weil hier die vielzitierte Definition lebendiger Wein im positivsten Sinne zutrifft. Sowohl als Speisenbegleiter sicherlich genial, aber auch solo ein totales Erlebnis!

Verkostungsentwicklung
Wie bereits im Podcast angesprochen versorgen wir euch bei diesem Wein mit einer kleinen Tagesentwicklung, da man gerade online dazu viele Berichte findet, dass sich der Wein innerhalb von bis zu 9 Tagen unterschiedlich entwickelt. Wir verfolgen das natürlich für euch!

  • 2 Stunden nach Öffnung: Im Bukett dominieren jetzt Gewürznoten von gemahlenem Pfeffer (nicht frisch, mehr die Fertigpackung) , die exotischen Fruchtnoten treten in den Hintergrund und sind kaum mehr auszumachen, noch keine Veränderung am Gaumen
  • Tag 2: Die Pfefferwürze weicht schön langsam eher einer Kümmel-Note, die ätherischen Noten der Mandarinenschale sind stärker präsent, dazu kommt etwas feuchtes Gras, keine Verändung am Gaumen merkbar,
  • Tag 3: Pfeffer- und Kümmelwürze beide weiterhin vorhanden, die exotische Fruchtnote ist wieder etwas mehr im Vordergrund, auch die Mandarinenschale ist noch präsent, keine Veränderung am Gaumen merkbar
  • Tag 4: Die Gewürznoten sind mittlerweile fast gänzlich verschwunden, zur weiterhin präsenten Mandarinenschale und exotische Fruchtnote gesellt sich etwas Nussiges, Haselnuss? Auch am Gaumen zeigt sich die Zestigkeit und die Tanninstruktur stärker, die Frucht ist kaum mehr da. Die Würze im Abgang bleibt.
  • Tag 5: Nochmal verstärke Fruchtnote, die Gewürze sind nur noch leicht da – dafür ist eine etwas zimtige Würze dazugekommen. Zur Exotik kommt an Tag 5 noch etwas Steinfrucht, wie überreifer Pfirsich. Dafür wieder weniger Zitruszesten. Am Gaumen dafür fast ausschließlich Nuss gepaart mit Zestigkeit, die Frucht muss man schon sehr suchen. Im Abgang kommt zur Zestigkeit ein bittere Tabaknote.
  • Tag 6: Schwankt wieder mehr in die Zesten-Richtung in der Nase, am Gaumen weiterhin die wunderschöne volle Exotik. Kaum Veränderung zu Tag 5.
  • Tag 7: In der Nase ist die überreife Exotik wieder sehr präsent, die Pfefferwürze ist wieder da – dafür ist die Zestigkeit in der Nase kaum mehr spürbar. Am Gaumen weiterhin weltklasse, neben der Exotik auch ein Hint an überreifer Stachelbeere, der davor nicht spürbar war. Abgang bleibt lange mit spürbarem Tannin und Würze.
  • Tag 8: In der Nase jetzt völlig anders. Das exotische Fruchtthema und auch das Pfeffer-Aroma ist im Hintergrund, darüber liegt ein intensiver Duft der an feuchte Wiese erinnert. Am Gaumen allerdings ist die Exotik gefühlt noch intensiver und schmelziger geworden, Säure und Tanninstruktur weiterhin sehr stabil. Die Zestigkeit im Abgang nimmt leicht zu. 
  • Tag 10: Feuchte Wiese und Exotik in der Nase, am Gaumen die Exotik super intensiv – immer noch wunderschön. Man merkt langsam, dass die Säure etwas an Kraft verliert, aber macht immer noch sehr viel Spaß beim Trinken. Zestigkeit gerät – auch durch das Fehlen der Säure bedingt – mehr in den Fokus, wirkt jetzt nochmal intensiver im Abgang.

Und hier findet ihr den Wein
Gekauft haben wir den Wein bei vinonudo, die Weine von Maria und Sepp Muster sind aufgrund der geringen Stückzahlen immer schnell ausverkauft, aber bei einigen Händlern zu finden: Wick’s Fine Wine, Weinskandal, Natural Wine Dealers, Weinfurore – um nur einige zu nennen!

Das können wir noch empfehlen…
Weine von Maria und Sepp Muster garantieren Spannung und Lebendigkeit: Wir haben vor kurzem den Sauvignon Blanc vom Opok (2019) im Glas gehabt – das macht enorm viel Spaß und ist ein super Einstiegswein ins Portfolio des Weinguts, dafür benötigt man auch keine Naturwein-Vorkenntnisse. Zudem hatten wir Sgaminegg (Weiße Cuvée, 2019) und die Gräfin (Orange, 2018) im Glas und beide brauchen aus unserer Sicht mindestens noch 2-3 Jahre um auch solo richtig Spaß zu machen.

Podcast-Folge Nr. 38
Unsere Podcast-Folge zur Erde 2018 von Maria und Sepp Muster könnt ihr überall hören, wo es Podcasts gibt – zum Beispiel direkt hier oder bei Spotify.